Organisationen fordern Stopp der Abschiebungen nach Afghanistan

Amnesty International, die Arbeiterwohlfahrt, Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein, Der Paritätische Gesamtverband, Diakonie Deutschland, Jesuiten-Flüchtlingsdienst, Neue Richtervereinigung, PRO ASYL und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein kritisieren die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bei afghanischen Asylsuchenden.

Anlässlich eines morgen zu erwartenden Abschiebungsflugs nach Afghanistan fordern Menschenrechtsorganisationen und Verbände einen sofortigen Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan. Wegen schwerwiegender Mängel bei Asylverfahren von afghanischen Asylsuchenden befürchten die Organisationen, dass nach fehlerhaften Asyl­ver­fahren abgelehnte Afghanen demnächst abgeschoben werden und dadurch ihr Leben aufs Spiel gesetzt wird.

Bisher wurde ihren Angaben zufolge in diesem Jahr rund die Hälfte aller Asylanträge von Afghanen abgelehnt, während die bereinigte Schutzquote im Jahr 2016 noch 60 Prozent und 2015 sogar 78 Prozent betrug. Dabei fällt den Organisationen bei der Prüfung von ablehnenden Bescheiden auf, dass neue Informationen zur gefährlichen Lage in Afghanistan nicht berücksichtigt werden, unter anderem  jene, die das UN-Flüchtlingswerk zur Verfügung stellt. Dies sei aber sowohl rechtlich verpflichtend als auch unerlässlich angesichts der sich stetig verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan.

Auch werde in den Bescheiden immer wieder auf das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative verwiesen. Tatsächlich habe sich jedoch der bewaffnete Konflikt mittlerweile über die ursprünglichen Kampfgebiete hinaus ausgeweitet – Menschen könnten danach überall Opfer von Kampfhandlungen, Anschlägen und Verfolgung werden. Dies sei während der derzeit stattfindenden Frühjahrsoffensive der Taliban deutlich zu beobachten. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist so unberechenbar, dass auch der UNHCR eine Unterscheidung von »sicheren« und »unsicheren« Gebieten ablehne, heißt es. Wegen des bewaffneten Konflikts habe sich die Zahl der Binnenvertriebenen in den vergangenen drei Jahren fast verdoppelt und liegt bei 1,4 Millionen. Seit Anfang des Jahres mussten erneut mehr als 90.000 Menschen ihre Häuser verlassen (Stand 6.5.2017).

Die Organisationen befürchten, dass durch mangelhaft durchgeführte Anhörungen in der Sache falsche Ablehnungen zustandekommen – was für die Betroffenen dramatische Folgen haben kann, wie schlimmstenfalls die Abschiebung in die Verfolgung. Die Qualität der Asylverfahren dürfe nicht dem politischen Willen zum Abbau der Altfälle bis zur Bundestagswahl geopfert werden, heißt es weiter.

Auch für die schon länger mit einer Duldung in Deutschland lebenden Afghanen sehen die Organisationen durch die letzten Gesetzesänderungen eine Verschärfung der Situation, wie dem Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, indem diese Abschiebungen erleichtern.Sie halten eine Prüfung dringend notwendig, ob die vor mehreren Jahren abgelehnten Afghanen nicht wegen der sich verschlechterten Sicherheitslage einen Anspruch auf Schutz haben.

Deutschland habe eine völkerrechtliche Verpflichtung, Asylsuchenden ein faires und sorgfältiges Asylverfahren zu bieten und nicht in Länder abzuschieben, in denen den Menschen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Die Organisationen appellieren deswegen gemeinsam an Bund und Länder, Asylgesuche mit der notwendigen Sorgfalt zu prüfen sowie alle Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen.

HIntergrund:

Bereits am 30. November 2016 haben in der Flüchtlingsarbeit tätige Organisationen das »Memorandum für faire und sorgfältige Asylverfahren« veröffentlicht.


Quelle: Presseinformation des Paritätischen Gesamtverbandes vom 30. Mai 2017