Bertelsmann-Studie zur Integration von Muslimen in Deutschland

Die Integration muslimischer Einwanderer in Deutschland macht deutliche Fortschritte. Diese Integrationserfolge werden jedoch von Teilen der Gesellschaft zu wenig anerkannt. Das zeigt der Religionsmonitor 2017 der Bertelsmann Stiftung, der Sprachkompetenz, Bildung, Teilhabe am Arbeitsleben und interreligiöse Kontakte von Muslimen in Westeuropa untersucht hat. 

Seit den 1960-er Jahren wächst die muslimische Bevölkerung in ganz Westeuropa. In Deutschland leben rund 4,7 Millionen Muslime. Spätestens seit der zweiten Generation sind sie laut Untersuchung mehrheitlich in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Besonders erfolgreich verlaufe in Deutschland die Integration der hier lebenden Muslime in den Arbeitsmarkt. Inzwischen unterscheidet sich danach die Erwerbsbeteiligung von Muslimen nicht mehr vom Bundesdurchschnitt der deutschen Erwerbsbevölkerung: Rund 60 Prozent arbeiten in Vollzeit, 20 Prozent in Teilzeit, und die Arbeitslosenquote gleicht sich ebenfalls an. Einwanderer profitieren maßgeblich vom hohen Arbeitskräftebedarf. Aber auch die Öffnung des Arbeitsmarktes durch schnellere Arbeitsgenehmigungen, kommunale Initiativen zur Job-Vermittlung und Sprachkurse macht sich positiv bemerkbar.

Mit Deutsch als erster Sprache wachsen 73 Prozent der in Deutschland geborenen Kinder von muslimischen Einwanderern auf. Ihr Anteil steige von Generation zu Generation. Gleiches gelte auch für das Niveau der Schulabschlüsse. Die Angleichung an die durchschnittliche Schulabschlussquote aller Schüler verlaufe, so die Forscher, in Deutschland allerdings langsamer als etwa in Frankreich. Dort verlassen nur elf Prozent der Muslime vor Vollendung des 17. Lebensjahrs die Schule. In Deutschland gelte das für 36 Prozent. Einen Grund für den Unterschied sehen sie im Schulsystem: In Frankreich lernen die Kinder länger gemeinsam und können so Startnachteile besser ausgleichen. Trotz höherer Schulabschlüsse sind in Frankreich Muslime im Vergleich zur Gesamtbevölkerung allerdings überdurchschnittlich oft arbeitslos und arbeiten seltener in Vollzeit. „Der internationale Vergleich zeigt, dass nicht Religionszugehörigkeit über die Erfolgschancen von Integration entscheidet, sondern staatliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen", sagt Stephan Vopel, Experte für gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bertelsmann Stiftung.

Benachteiligung von frommen Muslimen 

In Deutschland fällt es laut Religionsmonitor hochreligiösen Muslimen schwer, einen Job zu finden, der ihrem Qualifikationsniveau entspricht. So verdienen sie erheblich weniger als Muslime, die ihre Religion nicht praktizieren. Anders in Großbritannien: Dort sind sehr religiöse Muslime bei gleicher Qualifikation in den gleichen Berufsfeldern vertreten wie weniger fromme Muslime. „Muslime im Vereinigten Königreich profitieren offensichtlich von einer Chancengleichheit, die wesentlich durch die dortige institutionelle Gleichstellung des Islam mit anderen Religionen befördert wurde. Das Bekenntnis zum Glauben und die Ausübung der Religion sind im Arbeitsleben kein Tabu", sagt Yasemin El-Menouar, Islam-Expertin der Bertelsmann Stiftung. Beispielsweise dürfen britische Polizistinnen schon seit zehn Jahren im Dienst ein Kopftuch tragen.

Ihre Freizeit verbringen laut Untersuchung 84 Prozent der in Deutschland geborenen Muslime regelmäßig mit Nicht-Muslimen. Fast zwei Drittel der Muslime geben an, dass ihr Freundeskreis mindestens zur Hälfte aus Nicht-Muslimen besteht. Jeder zweite Muslim hat einen deutschen Pass und 96 Prozent von ihnen betonen ihre enge Verbundenheit mit Deutschland.

Diese Integrationsleistungen finden nach Einschätzung der Studie allerdings nicht überall Anerkennung. 19 Prozent der Bürger in Deutschland geben an, keine Muslime als Nachbarn haben zu wollen. „Wenn sich Gesellschaften verändern, wird das immer auch als spannungsreich empfunden", sagt Vopel. Um Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, nennt der Religionsmonitor drei zentrale Hebel: Erstens die Chancen auf Teilhabe zu verbessern, insbesondere im Bildungssystem. Zweitens den Islam als Religionsgemeinschaft institutionell gleichzustellen und somit religiöse Vielfalt anzuerkennen. Und drittens interkulturelle Kontakte und interreligiösen Austausch in Schule, Nachbarschaft und Medien zu fördern.

Hintergrund 

Der Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung vergleicht regelmäßig international die Bedeutung von Religion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Er basiert auf repräsentativen Bevölkerungsumfragen. Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung haben Professor Dirk Halm und Dr. Martina Sauer vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung an der Universität Duisburg-Essen anhand dieser Daten die Sozialintegration der Muslime in fünf westeuropäischen Ländern analysiert. Die Studie „Muslime in Europa – Integriert, aber nicht akzeptiert?" vergleicht Deutschland, die Schweiz, Österreich, Frankreich und das Vereinigte Königreich. Sie ist die zweite Veröffentlichung. 

 


Quelle: Presseinformation der Bertelsmann Stiftung vom 24. August 2017