Sofortprogramm in der Pflege: Erster Schritt aus der Vertrauenskrise?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kündigte ein Sofortprogramm für die Kranken- und Altenpflege an, in dessem Kern es um die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Erhöhung der Attraktivität des Berufes geht. Man wolle damit auf die Arbeitsverdichtung der letzten Jahre reagieren und die Vertrauenskrise in der Pflege überwinden. Die Botschaft sei, Politik habe verstanden, sagte Spahn eindrücklich.  

Im Krankenhausbereich soll demnach jede zusätzliche Pflegekraft am Bett vollständig von den Kostenträgern refinanziert werden. In der Altenpflege sollen 13.000 zusätzeliche Stellen geschaffen werden. Und auch in der Ausbildung von Pflegekräften werden neue Anreize geschaffen werden.

Spahn sprach vor der Presse von einem ersten wichtigen Schritt. Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) begrüßte die geplanten Maßnahmen als zukunftsweisend. „Nach jahrelangem Hinhalten der Berufsgruppe mit immer neuen Versprechungen und zaghaften Umsetzungen setzt Bundesgesundheitsminister Spahn die unter seinem Vorgänger begonnenen strukturellen Anpassungen in Fragen der Personalausstattung und der Refinanzierung fort“, sagt DBfK-Präsidentin Prof. Christel Bienstein in einer ersten Bewertung. „Gelang es in der vorherigen Regierung, Versorgungssituation und Pflegebedarfe mit gesetzlichen Maßnahmen neu zu regulieren, wird nun der Fokus auf die Pflegefachpersonen und deren katastrophalen Arbeitsbedingungen gelegt. Wir werden das Paket vor und nach seiner Einführung zum 1.1.2019 kritisch begleiten und dessen Umsetzung prüfen.“

Der DBfK beziffert die Personallücke für alle Bereiche, in denen professionelle Pflege erbracht wird, auf mindestens 100.000 fehlende Vollzeitstellen.

Unzureichend sei das Sofortprogramm für eine Verbesserung der kritischen Situation im Bereich der ambulanten Pflege. so Bienstein. Sie mahnte dirngende Abhilfe durch strukturelle Verbessrungen auch hier an: "Die in den über 13.000 Pflegediensten arbeitenden Pflegenden erfahren keine Entlastung. Es ist seit Jahren bekannt und spitzt sich regional immer stärker zu, dass ambulante Pflegedienste mangels ausreichendem Personal und adäquater Refinanzierung der erbrachten Leistung die Versorgung von Patienten in zunehmenden Maße ablehnen müssen." 

Der Paritätische kommentiert das Sofortporgamm als bestenfalls Einstieg und punktuelle Entlastung. Notwendig seien deutlich mehr finanzielle Mittel, um die erforderlichen Reformen zu finanzieren. Wenn die Bundesregierung den Pflegenotstand stoppen will, muss sie weitere Milliarden in die Hand nehmen", so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Ohne Beitragserhöhungen oder zusätzliche Steuermittel sei die Krise nicht zu beheben. Sichergestellt werden müsse dabei, dass es am Ende nicht die Pflegebedürftigen, ihre Angehörigen und die Sozialhilfeträger seien, auf die die zusätzlichen Kosten abgewälzt werden. Der Paritätische fordert eine gesetzliche Regelung, dass die Pflegeversicherung künftig grundsätzlich mindestens 85 Prozent der Kosten übernimmt und der Eigenanteil der Pflegebedürftigen damit auf 15 Prozent gedeckelt wird.

Die Evangelische Heimstiftung bezeichnet das Sofortprogramm als "Flickschusterei", die viel Geld, koste, das System noch komplizierter mache und am Ende keine Lösung bringe. Die Politik müsse den Mut aufbringen, das Pflegesystem neu zu erfinden und den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen, äußert sich Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung und Sprecher der Initiative Pro-Pflegereform. Dann erst könne sie sagen: „Wir haben verstanden“.

Mehr Informationen zum Sofortprogramm auf den Seiten des Bundesgesundheitsministeriums unter www.bundesgesundheitsministerium.de/sofortprogramm-pflege.html


Quelle: https://www.bundesregierung.de, Stand: 25. Mai 2018, Presseinformationen des DBFK, des Paritätischen Gesamtverbandes und der Evangelischen Heimstiftung vom 24. Mai 2018