Scharfe Kritik an Legalisierung von Online-Casinos
Die coronabedingten Schließungen von Spielhallen haben laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) zu positiven Effekten geführt. Anders als befürchtet hat sich die Sucht vieler Spielsüchtiger nicht ins Internet verlagert. Dennoch übt der Verband scharfe Kritik an der geplanten Legalisierung von Online-Casinos. Diese stärke einen Markt, der bislang noch relativ unbedeutend ist.
Glücksspiel im Internet ist sieben Tage die Woche rund um die Uhr vonnahezu jedem Ort aus verfügbar. Nach außen wirkt das Zocken im Internet meist ganz unauffällig. Das Umfeld, egal ob privat oder am Arbeitsplatz, bekommt davon oft gar nichts mit. Die Online-Glücksspiele bergen große Risiken. „Während ich im Internet eine Wette platziere, kann ich so tun, als würde ich mein Smartphone checken oder eine Nachricht schreiben. Es ist sozial verträglich, quasi vor aller Augen zu zocken“, schildert Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende des Fachverbands Glücksspielsucht e.V. (FAGS) anlässlich der Veröffentlichung des DHS Jahrbuchs Sucht 2021.
Online-Casinos bislang illegal
Gefahren aus suchtpräventiver Sicht sehen Fachleute auch durch die geplante Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags. Online-Casinos sind in Deutschland bislang illegal. Das ändert sich voraussichtlich ab dem 1. Juli 2021 mit dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags.„Der vorliegende Entwurf enthält trotz Verbesserungen beim Spielerschutz nach wie vor erhebliche Mängel. Diese fördern Suchtrisiken und erhöhen eine Gefährdung von Spielerinnen und Spielern“, betont Dr. Peter Raiser, stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). In einer Stellungnahme spricht sich die DHS daher gegen die Ratifizierung des Glücksspielstaatsvertrags bei gleichzeitiger Verlängerung des bisher gültigen dritten Staatsvertrags aus.
Wie aus dem DHS Jahrbuch Sucht 2021 hervorgeht, wurde auf dem legalen deutschen Glücksspiel-Markt 2019 ein Umsatz (gleichbedeutend mit Spieleinsätzen) von 44,2 Mrd. EUR erzielt. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Rückgang um 3,5%. Der Umsatz der gewerblichen Geldspielautomaten in Spielhallen und gastronomischen Betrieben ist um 11,9% auf 25,8 Mrd. Euro gesunken. „Nachdem sich im Jahr 2020 im Spielhallenbereich zunächst eine Stabilisierung der Umsätze auf dem Niveau des Vorjahres abzeichnete, wird für das Gesamtjahr nach dem Lockdown infolge der COVID-19-Pandemie mit einem Rückgang um 50% gerechnet“, so Glücksspielexperte Prof. Gerhard Meyer im DHS Jahrbuch Sucht 2021.
Marktöffnung durch neuen Glücksspielstaatsvertrag
Im Rahmen der weitreichenden Marktöffnung durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag wird es für Anbieter von Online-Casinospielen auch darum gehen, potenzielle neue Spielerinnen und Spieler zu gewinnen, warnen Suchtexpertinnen und -experten. „Das gleicht einer Kundenbeschaffungsmaßnahme in diesem gefährlichen Markt. Wie eine aktuelle Befragung der Bundes-zentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt, spielen auf die gesamte Bevölkerung bezogen in Deutschland bislang vergleichsweise sehr wenige Menschen Online-Glücksspiele“, so die Vorsitzende des Fachverbands Glücksspielsucht, Ilona Füchtenschnieder. Vermutungen, das Online-Glücksspiel könne durch die Coronapandemie einen regelrechten Boom erleben, sieht die Suchtexpertin aktuell noch nicht bestätigt: „Wir beobachten während der Coronakrise auch positive Effekte auf das Suchtverhalten. Glücksspielende, die bisher in Spielhallen gespielt haben, wandern nicht zwangsläufig ins Internet ab. Es gibt Berichte von Betroffenen, die den Lockdown als Ausstieg aus der Sucht genutzt haben und inzwischen spielfrei sind.“
Hilfe bei Suchtproblemen: DHS Suchthilfeverzeichnis
Hilfe bei Suchtproblemen finden Betroffene und ihre Angehörigen, Fachleute und Interessierte im DHS Suchthilfeverzeichnis. Mit verbesserten Suchfunktionen bietet das Serviceangebot nach einer grundlegenden Überarbeitung jetzt umfassende Informationen zu über 1.600 Einrichtungen der ambulanten und stationären Suchthilfe in Deutschland.
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen vom 14.4.2021