Bahn fährt durch Bahnhof
Foto: Pixabay

Forderung nach sinnvoller Anschlussregelung vom 9-Euro-Ticket

Am 31. August endet die Regelung für 9-Euro-Ticket im bundesweiten öffentlichen Personennahverkehr. Die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W) verweist auf den großen Erfolg des 9-Euro-Tickets und fordert von Politik und Verkehrsverbänden, eine dauerhaft kostengünstige und diskriminierungsfreie Mobilität für alle zu garantieren.

9-Euro-Ticket: Großer Nutzen für wohnungslose Menschen

 „Das 9-Euro-Ticket war und ist ein großer Erfolg. Ein preiswerter ÖPNV ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch sozialpolitisch dringend erforderlich“, erklärt Werena Rosenke, Geschäftsführerin der BAG W. Arme und wohnungslose Haushalte sind ganz besonders auf einen kostengünstigen Nahverkehr angewiesen. Auch sie müssen oftmals weite Strecken zurücklegen: Von der Tagesstätte zur Unterkunft, von der Beratungsstelle zum Amt oder zum Arzt. Viele konnten sich aber die „normalen“ Ticketpreise nicht leisten. Fahren ohne Fahrschein ist aber nach wie vor eine Straftat und birgt die Gefahr von hohen Geldstrafen, Verschuldung und – da die Geldstrafen häufig nicht beglichen werden können – Ersatzfreiheitsstrafen. Für Menschen ohne ausreichende Finanzmittel ist dies ein ständiges Drohszenario und im eintretenden Fall eine persönliche Katastrophe.

BAG W setzt Spendenkampagne fort

Mit der Anfang Juni gestarteten Spendenkampagne „1111 Plus X 9-Euro-Tickets für wohnungslose Menschen“ verweist die BAG W auf den großen Bedarf an kostengünstigen ÖPNV-Tickets für wohnungslose Menschen. Mit nur 9 Euro können Firmen und Privatpersonen wohnungslosen Menschen einen Monat lang eine kostenlose, stress- und risikofreie Mobilität mit Bus und Bahn ermöglichen. Neben den 1.111 Tickets, gespendet durch die Stiftung „Die Mannschaft“, konnten bisher weitere 422 Fahrkarten abgegeben werden. Die Nachfrage ist weiterhin hoch. Daher ruft die BAG W zu weiteren Spenden auf.
Weitere Infos zur Spenden-Kampagne auf www.bagw.de.

Wie weiter? Eine dauerhafte Lösung wird benötigt

Das 9-Euro-Ticket hat armen und wohnungslosen Menschen für drei Monate eine stressfreie Fahrt ermöglicht. Auch in Anbetracht steigender Lebenshaltungskosten und einer rasanten Inflation braucht es nun eine dauerhafte Lösung als soziale Entlastung.

In Anerkennung des großen Erfolges des 9-Euro-Tickets werden derzeit verschiedene Folgemodelle diskutiert. Aus Sicht der BAG W steht die Bezahlbarkeit an zentraler Stelle. Ein Ticket für 69 Euro pro Monat ist für die meisten armen Haushalte und insbesondere für die schätzungsweise 417.000 wohnungslosen Menschen nicht finanzierbar. Andere Städte wie Wien oder Lissabon zeigen, dass ein kostengünstiger ÖPNV möglich ist. Die in Deutschland seit Jahren gestiegenen Fahrkartenpreise (um 80 % zwischen 2000 und 2018 lt. Statistischem Bundesamt) sind hingegen eine verkehrspolitische Fehlentwicklung mit sozialen Folgen. Dem muss dringend entgegengewirkt werden. Dazu braucht es politischen Willen und Mut zur Änderung.

Ersatzfreiheitsstrafen abschaffen

Jedes Jahr landen in Deutschland tausende Menschen aufgrund von Ersatzfreiheitsstrafen wegen Fahrens ohne Fahrschein im Gefängnis. Arme Menschen sowie Menschen mit psychischen Problemen oder mit Suchterkrankung sind davon überproportional häufig betroffen, darunter sind viele Menschen in Wohnungsnot. Sie können sich meist weder teure Fahrtickets noch die auferlegten Geldstrafen leisten – und „bezahlen“ dies sehr oft mit ihrer Freiheit. Die BAG W schätzt, dass jährlich bis zu 2.000 wohnungslose Menschen Ersatzfreiheitsstrafen wegen sogenannter „Beförderungserschleichung“ nach § 256a StGB verbüßen.

Der vom Bundesjustizminister Marco Buschmann jüngst vorgestellte Entwurf zur Strafrechtsreform erfüllt nicht die mit dem Koalitionsvereinbarung geweckten Erwartungen an ein sozial gerechteres Strafrecht. Dazu sagt Werena Rosenke: „Die Bemühungen befürworten wir. Der Entwurf löst aber das Grundsatzproblem der Inhaftierung von Menschen in finanzieller Not nicht. Das Strafrecht darf nicht dazu dienen, Armut und soziale Ausgrenzung zu bestrafen. Fahren ohne Fahrschein ist bekanntlich ein Armutsdelikt und sollte entsprechend seiner geringen Brisanz und den hohen Folgekosten zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden. Inhaftierungen aufgrund dessen sind unverhältnismäßig und müssen ausgeschlossen werden.“


Quelle: Pressemitteilung der BAG W vom 28.07.2022