Endlich Daten zur Betreuung auf dem Tisch

Im Betreuungswesen werden schon lange Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis guter Betreungsarbeit diskutiert.  Gleich zwei Studien sollten Licht in das Geschehen bringen. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hatte sie in Auftrag gegeben. Die Abschlussberichte zu den Forschungsvorhaben zur „Qualität in der rechtlichen Betreuung" sowie zur „Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungsrechtlichen Praxis" liegen jetzt vor. 

Das Forschungsvorhaben "Qualität in der rechtlichen Betreuung", wurde im Zeitraum von November 2015 bis November 2017 durchgeführt vom ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH Köln. Die vorliegende Untersuchung basiert auf einem Konzept von Betreuungsqualität, das in der ersten Phase ausgearbeitet und im weiteren Fortgang der Untersuchung empirisch überprüft wurde.  

Die IGES Institut GmbH Berlin war Ende 2015 mit der Durchführung des rechtstatsächlichen Forschungsvorhabens zur „Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungsrechtlichen Praxis im Hinblick auf vorgelagerte „andere Hilfen" unter besonderer Berücksichtigung des am 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde" beauftragt worden. Das Forschungsvorhaben hatte im Wesentlichen empirisch untersucht, welche „anderen Hilfen" zur Vermeidung und Begrenzung von rechtlichen Betreuungen grundsätzlich geeignet sind und ob den Betreuungsbehörden die diesbezüglichen Informationen unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Bedarfe der betroffenen Person einerseits und der konkreten Möglichkeiten vor Ort andererseits in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen.

Sowohl die Vertreter der Betreuenden wie der Bundesverband für Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer als auch Vertreter von Betreuten wie die Bundesvereinigung Lebenshilfe, begrüßen, dass nun endlich aussagekräftige Daten vorliegen. 

Die Forschungsberichte zeigen laut Bundesvereinigung Lebenshilfe, dass manche Betreuungen vermeidbar wären, wenn die Betreuungsbehörden niedrigschwellige Unterstützungsmöglichkeiten vermitteln könnten oder die Allgemeinen Sozialdienste besser ausgestattet wären. Deutlich wird auch, dass sowohl Berufs- als auch ehrenamtlichen Betreuern die Bedeutung der Selbstbestimmung ihrer Betreuten zwar bewusst ist, dies aber in der Betreuungspraxis oft nicht genügend berücksichtigt wird.

Sichtbar sei auch geworden, dass die Abläufe bei Betreuungsgerichten und -behörden verbesserungswürdig seien. Und sie wiesen darauf hin, dass eine gute Betreuung zeitintensiv ist, es aber an einer ausreichenden Vergütung fehlt, so die Bundesvorsitznde der Lebenshilfe, Ulla Schmidt. Sie fordert: „Nun müssen die politischen Schlüsse daraus gezogen werden. Und dies muss mit den Menschen mit Behinderung und ihren Verbänden erfolgen."

Auch für den Bundesverband für Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer (BdB) belegt die Studie des BMJV den Ressourcenmangel im Betreuungssystem. Die Handlungsempfehlungen des Abschlussberichts deckten sich in vielen Punkten mit den Forderungen des BdB, heißt es. Dazu der Verbandsvorsitzende Thorsten Becker: „Der Bericht zeigt aus unserer Sicht erhebliche Defizite in der Qualität der Betreuung auf. Nun ist der Bund am Zug, einen neuen Gesetzesentwurf zu entwickeln – und diesen so einzubringen, dass die Bundesländer ihn mittragen." Fortschritte könnten nur durch Reformen erreicht werden: Der BdB fordert sofort 24 Prozent mehr Zeit für Klienten und 25 Prozent mehr Geld. Das bedeutet 4,1 Stunden im Schnitt monatlich pro Klient und 55 Euro pro Stunde. Aktuell haben Berufsbetreuer durchschnittlich 3,3 Stunden pro Klient und Monat zur Verfügung, sie können maximal 44 Euro pro Stunde abrechnen. Die Studie zeigt, dass Berufsbetreuer/innen längst durchschnittlich 4,1 Stunden arbeiten – und mehr.

Eine Kurzfassung der Studien sowie Handlungsempfehlungen unter: www.bmjv.de/DE/Service/Fachpublikationen/Fachpublikationen_node.html;jsessionid=EFBAE32F8C358B1CF1E99F7D7905FC17.1_cid334


Quelle: Presseinformationen des Bundesverbandes für Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer vom 7. Dezember und der Bundesvereinigung Lebenshilfe vom 14. Dezember 2017