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Reform des Betreuungsrechts: Lebenshilfe fordert Nachbesserungen

Mit der Kampagne "BetreuungsRechtsReform – aber richtig!" tritt die Bundesvereinigung Lebenshilfe für weitreichendere Veränderungen ein als von der Bundesregierung vorgesehen. In der Kritik steht unter anderem die fehlende Obergrenze von Betreuungen.

Am 26. November wird der Deutsche Bundestag in erster Lesung über die grundlegende Reform des Betreuungsrechts beraten. In einem mehrjährigen Prozess wurde unter Beteiligung von Rechtsexpert*innen, zivilgesellschaftlichen Gruppen und Selbstvertreter*innen um einen neuen Entwurf gerungen, der die Rechte der betreuten Menschen stärken soll. Denn immer noch wird in der Praxis zu häufig die Existenz einer rechtlichen Betreuung mit einer vollständigen Entmündigung der Betreuten gleichgesetzt. Dabei ist der Grundgedanke des Betreuungsrechts eigentlich klar: Betreuer*innen sollen im Rahmen ihrer Tätigkeit Betreute bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützen, und zwar zu 'ihrem Wohle'. 

Doch genau hier wird es knifflig: Ist mit dem Wohl der Adressat*innen die Verwirklichung einer möglichst weitgehenden Autonomie gemeint, hierin inbegriffen also auch das Recht auf 'unvernünftige' Entscheidungen, z.B. zu Lasten des finanziellen Vermögens des*der Betreuten? Oder orientiert sich der 'Wohl'-Begriff mehr an den Orientierungen und Einstellungen der Betreuer*innen als Repräsentant*innen hegemonialer Norm- und Wertvorstellungen? Auch Haftungsfragen können für Betreuer*innen handlungsleitend sein.

Der Entwurf der Bundesregierung wird von den allermeisten Akteur*innen insgesamt positiv bewertet, was auch darauf zurückzuführen sein dürfte, dass die Defizite in der bisherigen Lebens- und Rechtspraxis allzu offensichtlich waren. Es ist also nicht verwunderlich, dass der Entwurf aus Sicht der Bundesvereinigung Lebenshilfe weiter verbesserungswürdig ist. So wünscht sich die Lebenshilfe Modellprojekte und Kompetenzzentren, die erforschen sollen, "wie eine Unterstützung bei der Entscheidungsfindung ohne oder mit einem begrenzten Vertretungsmandat erfolgen kann." Denn nicht alle Betreuungen wären notwendig, wenn deutlich mehr Ressourcen zur Verfügung stünden, die Menschen bereits im Vorfeld bei einer informierten Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Gute Betreuung ist zeitaufwendig - Obergrenze für Betreuungen gefordert

Auch fehlt aus Sicht des Verbandes eine verbindliche Regelung hinsichtlich einer Betreuungs-Obergrenze. Viele professionelle Betreuer*innen sind für viel zu viele Betreute zuständig, was fast zwangsläufig dazu führt, dass das Ziel einer gemeinsamen und informierten Entscheidungsfindung oftmals verfehlt wird. Nicht selten ist die Folge, dass grundrechtsrelevante Fragen - um nicht weniger geht es im Betreuungsrecht - am Schreibtisch entschieden werden, ohne dass die Betroffenen angemessen beteiligt wurden. Die Lebenshilfe fordert zudem zusätzliche finanzielle Mittel im System, denn gute Betreuung ist zeitaufwendig. Eine Obergrenze bei angemessenem finanziellen Ausgleich könne zu einer deutlichen Verbesserung führen.

Mit der nun gestarteten Kampagne "BetreuungsRechtsReform – aber richtig!" möchte die Bundesvereinigung Lebenshilfe darüber aufklären, dass noch weitere Schritte notwendig sind, um die aus ihrer Sicht angemessene Stärkung der betroffenen Menschen zu erzielen. Wie man sich online und offline an der Kampagne beteiligen kann, erfahren Sie auf den Seiten der Lebenshilfe.