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Zahl der Missbrauchsfälle weiter gestiegen

Vergangene Woche wurde die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) vorgelegt. Die Zahlen zum sexuellen Missbrauch von Kindern sind nach wie vor schockierend. Die Gefahr eines sexuellen Übergriffes ist nach wie vor im direkten sozialen Umfeld am größten und auch die Online-Kriminalität nimmt drastisch zu.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz von BKA-Präsident Holger Münch und dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Wilhelm Rörig, wurden einmal mehr schreckliche Zahlen präsentiert: Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) verzeichnet für das Jahr 2019 in Deutschland weit über 13.000 den Ermittlungsbehörden bekannt gewordene Straftaten des sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Anzeigen beziehen sich zu etwa 75 % auf betroffene Mädchen und zu 25 % auf betroffene Jungen. Hinzu kommen Anzeigen von sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Jugendlichen sowie über 14.000 Fälle sogenannter Kinder- und Jugendpornografie.

Bei diesen Zahlen handelt es sich um das sogenannte Hellfeld. Das Dunkelfeld, die Zahl der nicht polizeilich bekannten Fälle, ist weitaus größer. Dunkelfeldforschungen aus den vergangenen Jahren haben ergeben, dass etwa jede*r Siebte bis Achte Erwachsene in Deutschland sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend erlitten hat. Es ist davon auszugehen, dass etwa ein bis zwei Schüler*innen in jeder Schulklasse von sexueller Gewalt betroffenen waren/sind. In diese Zahlen fließen die Fälle von sexueller Gewalt, die durch andere Kinder oder Jugendliche verübt wird, nur zu einem kleinen Teil ein. Befragungen von Schüler*innen weisen darauf hin, dass Übergriffe durch andere Kinder und Jugendliche weitaus häufiger vorkommen als sexuelle Gewalt durch Erwachsene.

Die wenigsten Taten werden von 'Fremdtätern' ausgeübt

Die Statistik zeigt auch: Die größte Gefahr geht von der eigenen Kernfamilie aus. Bei jedem vierten erfassten Fall ist ein enges Familienmitglied tatverdächtig. Erweitert man den Umkreis des Kindes auf den Kreis von Verwandten und Freunden, verstärkt sich die bittere Erkenntnis: 50% aller Taten geschehen durch Onkel, Freunde, Cousins oder andere Personen aus dem näheren Umfeld. Umgekehrt bedeutet dies, dass Taten durch sogenannte 'Fremdtäter' eher selten vorkommen. Eine Ausnahme bildet allerdings die wachsende Zahl an Straftaten im Bereich des Besitzes kinderpornographischen Materials, der im Vergleich zum Vorjahr um 60% zugenommen hat. Auch das 'Cybergrooming', also die sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen in oft versteckten Online-Chats, hat deutlich zugenommen.

Auf die Corona-Krise bezieht sich Rörig, indem er sagt: "Sexueller Missbrauch ist eine Pandemie, eine Dauerkrise in Deutschland und weltweit, ein universelles Problem, immer schon und immer noch." Doch anders als die Bekämpfung eines Virus erfordert die Bekämpfung von sexuellem Missbrauch mehr als einen Impfstoff und wirtschaftliche Hilfen. Rörig: "Ich habe hier nicht nur die milliardenschweren Hilfspakete vor Augen. Ich meine vor allem den starken politischen und gesellschaftlichen Willen, den Deutschland gerade so eindrucksvoll unter Beweis stellt." 

Das vollständige Pressestatement von Wilhelm Rörig finden Sie hier.


Quelle: Mit Informationen des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vom 11.5.2020