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Tag der Menschenrechte: Auch Deutschland hat Nachholbedarf

10.12.2018 | Sozialpolitik | Nachrichten

Das Deutsche Institut für Menschenrechte mahnt an, dass auch in einem Land mit funktionierenden sozialstaatlichen Strukturen wie Deutschland Menschenrechte verletzt werden. Betroffen sind besonders verletzliche Personengruppen.

"Die Qualität des Menschenrechtsschutzes in einem Staat misst sich gerade daran, ob die Rechte der Schwächsten in Gesetzen verankert und auch in der Praxis geachtet und geschützt werden.", erklärt die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Beate Rudolf, zum frisch erschienenen Bericht, der den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 umfasst.

Illegal oder prekär beschäftigte "Arbeitsmigranten" sind quasi rechtelos

Das  Menschenrechtsinstitut untersuchte die Situation von Migranten und Migrantinnen, die von ihren Arbeitgebern ausgebeutet wurden. Interviews  mit Betroffenen aus EU-Ländern und Drittstaaten wie Pakistan, Palästina,  Syrien, Argentinien, Ecuador oder Peru machen deutlich: Viele erhalten weit weniger als den Mindestlohn, oder der Lohn wird ihnen gänzlich vorenthalten. Auch führen Arbeitgeber häufig keine Sozialabgaben ab. Unbezahlte Überstunden sind an der Tagesordnung. "Schwere Arbeitsausbeutung ist aktuell ein risikoloses Geschäft. Diese Menschen haben faktisch kaum eine Möglichkeit, ihre Lohnansprüche gerichtlich durchzusetzen", bemängelt Rudolf. Fälle von schwerer Arbeitsausbeutung seien aus vielen Branchen, beispielweise der fleischverarbeitenden Industrie, dem Transportwesen oder der häuslichen Pflege bekannt. Fehlende Sprach- und Rechtskenntnis, Abhängigkeit vom Arbeitgeber, fehlende Beweismittel sowie ein erschwerter Zugang zu Beratung führten zu einer strukturellen Unterlegenheit der Betroffenen gegenüber ihren Arbeitgebern. Der passende Ort für den Anstoß von Veränderungen könnte aus Rudolfs Sicht die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung sein.

Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie

Der  Bericht thematisiert außerdem Zwang in der allgemeinen Psychiatrie für Erwachsene. "Maßnahmen wie die Unterbringung in Einrichtungen, zwangsweise Fesselung ans Bett oder Sedierung durch Medikamente sind massive Eingriffe in die körperliche und seelische Unversehrtheit sowie die Selbstbestimmung von Menschen mit psycho-sozialen Behinderungen. Die Grund- und Menschenrechte gebieten es, die Anwendung von Zwang in der gesundheitlichen Versorgung zu vermeiden und auf andere Formen der Hilfe und Unterstützung zu setzen", erklärt Rudolf und schließt an: "Das ganze System der Psychiatrie muss darauf ausgerichtet sein, ohne Zwang zu arbeiten, um die Selbstbestimmung der Patienten zu wahren." Das Menschenrechtsinstitut hat für den Bericht zusammengefasst, welche rechtlichen Grundlagen es für Zwangsmaßnahmen in Bund und Ländern derzeit gibt und wie diese im Licht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu bewerten sind. Es analysiert auch, welche Daten zur Anwendung von Zwang in psychiatrischen Einrichtungen vorliegen. Der Bericht stellt gute strukturell ausgerichtete Ansätze vor, wie Zwang in der Psychiatrie vermieden werden kann: zum Beispiel  durch ein dichtes Netz ambulanter sozial-psychiatrischer Angebote außerhalb von Kliniken. Das Institut fordert eine klare Positionierung von Bund und Ländern zugunsten eines klaren Postulats gegen Zwangsbehandlungen.

Rüstungsexporte helfen menschenrechtsverletzenden Regimen

Auch das Thema Rüstungsexportkontrolle wird im Bericht des Instituts thematisiert. So wurde überprüft, ob zwischen 2015 und 2017 die politischen Grundsätze für Rüstungsexporte bei den deutschen Genehmigungsverfahren nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate angewandt worden sind. Diese Grundsätze der Bundesregierung  formulieren eine Reihe von Prüfanforderungen, darunter die  Menschenrechtslage und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch die Empfängerländer der Waffen. "Wir haben festgestellt,  dass die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch beide Länder bei den Genehmigungen von Rüstungsexporten offenbar keine Rolle gespielt haben", kritisiert Rudolf. Das  Menschenrechtsinstitut spricht sich für ein Rüstungsexportgesetz aus, das die völker- und menschenrechtlichen Genehmigungskriterien gesetzlich verankert. Damit verbundene Reformen sollten auch das Unterlaufen der deutschen Genehmigungsstandards durch Tochterunternehmen im Ausland verhindern. "Die Bundesregierung sollte ihre menschenrechtlichen Bewertungen gegenüber dem Deutschen Bundestag begründen müssen", schlägt Rudolf vor.

Die Kurzfassung des Berichts finden Sie hier: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsbericht/menschenrechtsbericht-2018/


Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Instituts für Menschenrechte vom 05.12.2018