Studie: Was leisten Fachberater in der Kindertagespflege?

von Kindertagespflege, Tagesmutter, Tagesvater, Fachberatung
19.12.2017 | Kinder-/Jugendhilfe, Forschung | Nachrichten, Link- & Medientipps, Fort- und Weiterbildung

Wie Fachberatung zur Qualität in der Kindertagespflege beiträgt: Eine neue Studie an der Katholischen Stiftungshochschule (KSH) gibt erstmals Einblick in die Praxis und liefert die Grundlage, um den nötigen Personalbedarf an Fachberaterinnen und -beratern zu berechnen sowie eine angemessene Aus- und Weiterbildung zu sichern.

Ob ein Kind in der Kita oder bei einer Tagesmutter beziehungsweise einem Tagesvater betreut wird, sollte für die Qualität seiner Betreuung keine Rolle spielen. Denn seit dem Jahr 2005 ist die Kindertagespflege gegenüber der Betreuung in Kindertageseinrichtungen im Sozialgesetzbuch VIII gleichgestellt. Die seitdem verstärkt eingerichtete Fachberatung für Kindertagespflege soll dazu beitragen, die Qualität der Betreuung sicherzustellen. Eine besondere Herausforderung dabei ist, dass Tagespflegepersonen überwiegend keine pädagogische Ausbildung haben und meist als Einzelpersonen ohne direkte Kolleginnen beziehungsweise Kollegen tätig sind. Gabriel Schoyerer, Professor an der Katholischen Stiftungshochschule München, hat nun erstmals erfasst, was Fachberatungsstellen leisten. In einer bundesweiten Studie hat der Sozialwissenschaftler mit seinem Team exemplarisch ihre konkreten Aufgaben und deren Umsetzung analysiert und in mehreren Fallporträts herausgearbeitet, was Qualität in der Praxis der Fachberatung bedeutet. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Die Ergebnisse sollten zur Transparenz der Arbeit der Fachberatung beitragen und  Perspektiven für ihre Weiterentwicklung aufzeigen.

„Fachberatungsstellen für Kindertagespflege haben eine Fülle von Aufgaben", sagt Schoyerer. Sie stellen etwa die Eignung von Tagespflegepersonen fest, sind für deren Grundqualifizierung und Fortbildung zuständig und beraten Eltern. Seine Projektergebnisse zeigen nun erstmals praxisbezogen, unter welch unterschiedlichen Bedingungen die Fachberatungsstellen arbeiten und wie sie ihre Arbeit konkret gestalten. So wird sichtbar, wie verschieden die Schwerpunkte und Zielsetzungen sind, die sie dabei setzen. „Bislang war die Praxis kaum empirisch untersucht", sagt Schoyerer. „Wir haben die Logik der Praxis anhand typischer Aufgabenbereiche von Fachberatung nach-gezeichnet. Das zeigt, wie Fachberatungsstellen ihren Förderauftrag lokal interpretieren und praktisch umsetzen." Ausgehend von den Fragen „Was bedeutet Qualität in der Fachberatung für Kindertagespflege und was macht eine gute Fachberatung aus?" wurden im Projekt bundesweit 20 Fachberatungsstellen bei öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe untersucht. Schoyerer und sein Team haben dabei Fachberatungsstellen vor Ort bei ihrer Arbeit begleitet und Fallporträts erstellt. Zudem hat das Forschungsteam Interviews mit Fachberaterinnen und -beratern geführt, Arbeitsdokumente analysiert und Expertinnen und Experten in Workshops eingebunden.

Personalbedarf berechnen

Die Studie liefert auf dieser Grundlage Hinweise, um den Personalbedarf in Fachberatungsstellen angemessen festzulegen. Dafür hat Gabriel Schoyerer mit seiner Mitarbeiterin Julia Wiesinger ein modulares Modell zur Berechnung des Fachberatungsschlüssels entwickelt. Mit diesem Modell können die Träger von Fachberatungsstellen anhand der jeweiligen Aufgaben die dafür nötige personelle Ausstattung individuell berechnen.

Zudem zeigt die Studie erstmals auf Basis der tatsächlichen Anforderungen auf, welche Qualifikationen nötig sind, um die Aufgaben der Fachberatung professionell erfüllen zu können. „Fachberaterinnen und -berater benötigen eine Vielzahl von teils sehr spezifischen Kompetenzen", halten Schoyerer und Wiesinger fest. Dazu zählen etwa rechtliches Wissen, aber auch Methodenkompetenzen in der Beratung und im Konfliktmanagement. „Zugangsvoraussetzung sollte der Abschluss eines einschlägigen Hochschulstudiums sein. Darauf aufbauend sind Weiterbildungen nötig, um das breite Spektrum an Anforderungen bewältigen zu können", sagt Schoyerer.

Praxis weiterentwickeln

Mit ihrem Projekt richtet sich das Forschungsteam insbesondere an die Fachberaterinnen und -berater selbst sowie die Verantwortlichen in den Kommunen und auf Landes- und Bundesebene. „Unsere Beschreibung und Analyse der Praxis kann Anregungen für die professionelle Weiterentwicklung der Fachberatung geben und praktische Hilfe im Arbeitsalltag sein", sagt Schoyerer. So wurden im Projekt Leitfragen entwickelt, anhand derer Fachberaterinnen und -berater ihre Arbeit nun reflektieren können. „Die Studie liefert eine empirische Grundlage für eine reflexive Weiterentwicklung, ohne selbst die Zielrichtung normativ zu bestimmen, da dies die Gefahr bergen würde, an den Interessen und Bedingungen der Praxis vorbei zu steuern. Die von uns gewählte praxeologische Forschungsperspektive dagegen stößt Lernprozesse an, da sie Fachkräften die Möglichkeit eröffnet, die Ergebnisse im Kontext ihrer lokalen Praxis selbst zu interpretieren und zu nutzen", so Schoyerer.

Die Fallporträts zeigen auf, wie Fachberatungsstellen im Kontext bestimmter Bedingungen und Zielsetzungen an ihre Aufgaben herangehen. Praktikerinnen und Praktiker können so einen Blick auf mögliche Umsetzungsweisen erhalten und prüfen, inwieweit diese für die eigene Praxis bei der Realisierung ihrer Ziele und Schwerpunktsetzungen hilfreich sein könnten. Denn bei aller Unterschiedlichkeit ist doch allen Fachberatungsstellen das übergeordnete Ziel gemeinsam, die Qualität der Betreuung in der Kindertagespflege sicherzustellen. Der Fokus all ihrer Arbeit, sagte etwa eine Fachberaterin dem Forschungsteam, seien am Ende immer die Kinder.

Gabriel Schoyerer, Julia Wiesinger (2017): Die Praxis der Fachberatung für Kindertagespflege. Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Qualitätsbedingungen von Fachberatung Kindertagespflege" (QualFa).

Die Projektergebnisse können in gedruckter Form kostenfrei bestellt werden unter gabriel.schoyerer@ksh-m.de oder im PDF-Format über die Webseite der KSH bezogen werden unter www.ksh-muenchen.de


Quelle: Pressemitteilung der Katholischen Stiftungsfachhochschule München vom 13. Dezember 2017