Sexualität selbstbestimmt ausleben - auch in Wohneinrichtungen

Unter dieser Prämisse findet seit gestern die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ausgerichtete Fachtagung zu einem Verbund-Forschungsprojekt der Humboldt-Universität Berlin, der Katholischen Hochschule NRW, der Universität Koblenz-Landau sowie der Evangelischen Hochschule Bochum statt. Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sollen mit Hilfe der Erkenntnisse sicherer im Umgang mit den sexuellen Bedürfnissen ihrer Bewohner/innen umgehen.

Die Tagung ist die Abschlussveranstaltung des seit 2014 geförderten Forschungsprojektes "Reflexion, Wissen, Können - Qualifizierung von Mitarbeitenden und Bewohnerinnen und Bewohnern zur Erweiterung der sexuellen Selbstbestimmung für erwachsene Menschen mit Behinderung in Wohneinrichtungen", kurz ReWiKs. Im Rahmen des Projekts wurde umfangreiches Informationsmaterial zur Erweiterung der sexuellen Selbstbestimmung von Menschen mit Beeinträchtigungen neu entwickelt. Dieses wird auf der Fachtagung erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und in Workshops diskutiert.

Die Verwirklichung der sexuellen Rechte von Menschen mit Beeinträchtigungen wird noch immer durch eine Vielzahl von Barrieren erschwert. Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, erklärt: "Mit den nun vorliegenden Materialien und der Fachtagung unterstützen wir gezielt das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Beeinträchtigung. Die BZgA leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland." 

Anlässlich der Fachtagung erklärt Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen: "Ich begrüße die Initiative der BZgA sehr, denn das Thema sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen wird oftmals tabuisiert. Zudem sind vor allem Frauen mit Behinderungen in Institutionen in besonderer Weise gefährdet, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden. Deswegen ist die Sensibilisierung und Qualifizierung von Mitarbeitenden sowie Bewohnerinnen und Bewohnern ein wichtiger Schritt, um dem entgegenzuwirken. Wichtig ist jedoch auch, dass der umfängliche Schutz der Intim- und Privatsphäre bundesweit ein verpflichtendes Qualitätsmerkmal für Träger von Wohneinrichtungen wird. Denn nur so ist gesichert, dass die Würde der Einzelnen in allen Bereichen der Intimsphäre gewahrt bleibt. Auch Menschen mit Behinderungen haben selbstverständlich ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung."

Arbeitsmaterialien für die Praxis

Das Material zur sexuellen Selbstbestimmung von Menschen mit Beeinträchtigungen wurde in Kooperation mit den Professorinnen und Professoren der beteiligten Hochschulen bzw. Universitäten für verschiedene Zielgruppen erarbeitet, mit Praxisvertreterinnen und Praxisvertretern diskutiert und erprobt und liegt auch in Leichter Sprache vor. Die ReWiKs-Materialien ermöglichen es Mitarbeitenden und Bewohnerinnen und Bewohnern in Wohneinrichtungen, sich mit der Thematik der sexuellen Selbstbestimmung auseinander zu setzen. So dienen beispielsweise Fragebogen-Sets dazu, die aktuelle Arbeits- und Lebenssituation zu beleuchten und Ansätze für erforderliche Veränderungen zu finden. Darüber hinaus ermöglichen die entwickelten Fortbildungsmaterialien die Qualifizierung sowohl von Mitarbeitenden als auch von Bewohnerinnen und Bewohnerinnen zu dieser Thematik. Ein Handbuch hält hierzu evaluierte Handlungsempfehlungen bereit.


Quelle: Pressemitteilung der BZgA vom 07.11.2018