Mehr als ein Kochprojekt – Vorteile inklusiver Bildung

In Kooperation zwischen der Werkstätten für behinderte Menschen gGmbH der Diakonie Bayreuth und der Albert-Schweitzer-Mittelschule Bayreuth verwirklichte sich in der Stadt ein Hauswirtschaftsprojekt, das weit über den Gebrauch von Kochlöffel, Speisen, Gewürze und Co. hinauswirkt. Werkstattmitarbeiterinnen und Werkstattmitarbeiter kochten nicht nur gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern, sondern erlebten auch Gemeinschaft  und persönliche Entwicklung auf neue Weise.

„Diese Kooperation ist eine klassische Win-Win-Situation, in der inklusive Bildung zum Vorteil für alle wird", so Hartmut Springfeld, Geschäftsführer der Werkstätten für Menschen mit Behinderung – dem „Lebenswerk" in der Diakonie Bayreuth. Im Zeitraum von Januar bis März 2017 fanden Bildungsvormittage in den Küchenräumen der Albert-Schweitzer-Mittelschule statt, an denen die Projektleiter hauswirtschaftliche Fertigkeiten vermittelten. Dabei ging es unter anderem um den Umgang mit Lebensmitteln und das Kochen nach Rezepten", berichtet Springfeld. „Ebenso standen das Vermitteln und Einhalten von Hygienevorschriften sowie Reinigungstätigkeiten auf dem Tagesplan." Im Konzept des Projekts wurden zum einen die alltagspraktischen Fähigkeiten wie Geschicklichkeit mit Grob- und Feinmotorik in den Fokus gestellt und zum anderen berufliche Schlüsselqualifikationen wie Ausdauer, Durchhaltevermögen und Zielgerichtetheit erworben." Für die Werkstattmitarbeiterinnen und -mitarbeiter war das Projekt ein Bildungselement innerhalb des sogenannten Berufsbildungsbereiches.  

Neben diesem eher handwerklichen Aspekt stand auch die persönliche Weiterentwicklung im Vordergrund: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer arbeiteten in Zweier-Gruppen aus jeweils Werkstatt und Schule. Springfeld betont: „Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die sozialen und kommunikativen Kompetenzen zu fördern, denn sie spielen im Hinblick auf das Erweitern der beruflichen Handlungskompetenz gerade für Menschen mit Lernschwierigkeiten eine zentrale Rolle. So lernten die Teilnehmer in diesem inklusiven Projekt, Vorurteile abzubauen, in einer angemessenen Art und Weise zu kommunizieren und darüber ein gemeinschaftliches Ergebnis zu erzielen", so Springfeld. Speziell für die Werkstattmitarbeiterinnen und -mitarbeiter  bestand das Projekt neben dem gemeinsamen Kochen mit den Schülern zusätzlich aus einem wöchentlichen Bildungstag, bei dem die theoretischen und praktischen Kenntnisse vertieft wurden.

Beeindruckende Entwicklung nach nur drei Monaten 

 „Am Anfang waren sowohl die Werkstattmitarbeiter als auch die Schülerinnen  und Schüler sehr verhalten", erinnert sich Springfeld. „Doch mit der Zeit wurden die Barrieren und Hemmnisse immer mehr aufgebrochen und wichen einem Miteinander. Es ist schön zu sehen, wie sich Menschen mit und ohne Behinderung gegenseitig unterstützen und am Ende etwas Gemeinsames schaffen. „Mit dem Kochprozess in der geschützten Umgebung der Küche ist es in diesem Projekt allerdings nicht getan", betont Hartmut Springfeld. „Denn Hauswirtschaft und Kochen setzen bei der Vorbereitung an und enden mit dem Essen an einem gemeinsamen Tisch." Um die Selbstständigkeit und Mobilität im sozialen Umfeld der Stadt Bayreuth zu fördern, führten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beispielsweise ein Haushaltsbuch, schrieben die Einkaufsliste, gingen einkaufen und lernten den Umgang mit Geld. Das Decken des Tisches und das gemeinsame Essen förderten schließlich das Teamgefühl. Der umfassende Ansatz im Konzept zahlte sich aus, so Springfeld.

„Wir konnten feststellen, wie sich mit jedem Mal das Niveau der Speisenzubereitung gesteigert hat", so Springfeld und wirft humorvoll ein: „Wer weiß, ob wir da nicht bei einigen die Weichen für eine Karriere als Tim Mälzer gestellt haben."

Verantwortung der Werkstätten braucht Partner

Die Werkstätten müssen ein breites Angebot zur Verfügung stellen, mit dem sie mehrere Aufgaben erfüllen: Dazu gehören eine angemessene berufliche Bildung, das Weiterentwickeln der Persönlichkeit und auch der Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Das geschieht neben dem Arbeitsbereich auch im Berufsbildungsbereich mit fördernden Maßnahmen wie dem Hauswirtschaftprojekt. „Der Berufsbildungsbereich umfasst einen gut zweijährigen Zeitraum zu Beginn der Tätigkeit in der Werkstatt, in der wir in unterschiedlichen Formen Bildung für die Arbeitswelt bieten." Auf welche Weise und mit welchen Schwerpunkten dies geschieht, wird für jeden Menschen individuell festgelegt – je nach Art und Schwere der Behinderung, Entwicklungsmöglichkeit sowie nach persönlicher Eignung und Interesse. Nach Beenden sollen unsere Mitarbeiter laut Gesetzgebung über eine berufliche Grundbildung verfügen und eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung erbringen können. Der weitere Weg kann dann sowohl in den ersten Arbeitsmarkt als auch in das breite Beschäftigungsangebot der Werkstätten führen. „Das ist eine große Verantwortung, die uns hier übertragen wird und die wir gerne übernehmen", betont Springfeld. „Es ist unser tagtägliches Ziel, den Menschen mit Behinderung vielfältige Möglichkeiten der beruflichen Teilhabe zu ermöglichen. Dafür braucht es allerdings Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen und eben solchen Institutionen, wie der Albert-Schweitzer-Schule. Wir sind glücklich über dieses Projekt und die darin gelungene Inklusion sowie Auswirkungen auf die Menschen und deren Entwicklung. Mein Dank gilt hier den beiden Projektleiterinnen Jeanette Simon-Tischer, Fachlehrerin an der Schule, und Heidi Raithel, Integrationsbegleiterin in den Werkstätten."

Die Albert-Schweitzer-Mittelschule ist eine anerkannte Inklusionsschule mit den Schwerpunktbereichen Wirtschaft, Technik und Soziales. „An unserer Schule lernen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam. Damit erwerben die Kinder und Jugendlichen soziale Kompetenzen wie Rücksichtnahme und Toleranz", so Manfred Riedel, Rektor der Albert-Schweitzer-Mittelschule. Im Vordergrund stehen zum einen die individuellen Fördermöglichkeiten, bei der die unterschiedlichen Lernbedürfnisse berücksichtigt werden. „Ein weiterer Teil unseres Schulkonzeptes ist die passgenaue Berufsorientierung", informiert Riedel.  „Die Kooperation mit den Werkstätten ist eine weitere tolle Maßnahme, mit der wir die Tür zur Praxiswelt öffnen und gleichzeitig weiter an den sozialen Kompetenzen arbeiten. Beide Seiten – sowohl die Werkstätten als auch wir – profitieren davon. Der Gedanke, weitere Projekte dieser Art ins Leben zu rufen, liegt also nicht fern." Hartmut Springfeld kann das nur bestätigen: „Wir haben auch schon viele Ideen und befinden uns bereits in Gesprächen. Das erfüllt mich mit Stolz, da wir mit solchen Projekten dem Begriff Teamwork ein Gesicht geben und es mit Leben füllen."


Quelle: Presseinformation der ABG Marketing GmbH & Co vom 8. Mai 2017