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Kooperationen in der Erziehungshilfe: Schluss mit den Systemabgrenzungen

Ein gemeinsames Papier der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) und drei großer Verbände der Erziehungshilfe macht auf ein grundlegendes Problem aufmerksam: Die extensive Beschäftigung mit Systemlogiken und Zuständigkeitsfragen hilft keiner Familie.

Die Stellungnahme wurde von der DGSF sowie vom Bundesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen (BVkE), der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) und dem Evangelischen Erziehungsverband (EREV) unterzeichnet. Sie ist ein Ergebnis einer von den Verbänden im vergangenen November abgehaltenen Fachtagung, auf der ausführlich über die Zusammenabeit zwischen Erziehungs- und Gesundheitshilfe beraten wurde.

Dort waren sich alle Beteiligten einig, dass ein deutlich gestiegener Bedarf an sogenannten Komplexleistungen, d.h. parallel laufender Leistungen der Jugendhilfe, medizinischer und therapeutischer Leistungen zu verzeichnen sei. Festgestellt wurde zudem, dass in vielen dieser Fälle die je eigenen System- und Finanzierungslogiken eine große Schwierigkeit bei der Organisation und Durchführung der Leistungen darstellen. Aus diesem Grund sehen die Verbände dringenden Handlungsbedarf. So heißt es wörtlich: "Eine Verantwortungsgemeinschaft von Jugendhilfe und Gesundheitswesen muss integrierte Handlungs- und  Finanzierungsstrukturen schaffen, statt in Abgrenzungen und Zuständigkeiten zu handeln." Nur so könnten Hilfen passgenau, zügig und finanziell abgesichert eingesetzt werden.

Verlässliche Strukturen und Absprachen notwendig

Auf Grundlage dieser geteilten Problembeschreibung wurden nun zahlreichen konkrete Forderungen entwickelt, die sich an die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung richten. Auf einer politischen Ebene wünschen sich die Verbände z.B. eine "verlässliche lokale Infrastruktur", in der Hilfen dauerhaft und ohne Fluktuation durchgeführt und strukturirerte Übergänge geschaffen werden können. Auch sehen die Verbände hinsichtlich der Finanzierungslogik deutlichen Verbesserungsbedarf. So müssten kostenintensive "Komplexleistungen" für Kinder und Jugendliche auch "komplex" finanziert werden, also gemeinsam von Jugendhilfe und Krankenkassen. Die Verbände fordern zudem, dass die Altersgrenze für die Aufnahme junger Menschen in die Kinder- und Jugendpsychiatrie aufeinander abgestimmt werden müsse. Denn während sich Jugendhilfeleistungen sich in begründeten Ausnahmefällen auch an 18-21 jährige richtet, trifft dies i.d.R. nicht auf die Kinder- und Jugendpsychiatrien statt. Auch hier müssten die Systemlogiken verändert werden.

Auf fachlicher Ebene fordern die Verbände den verstärkten Einsatz interdisziplinärer Teams, auch in den Jugendämtern. Es gebe bereits positive Beispiele, die möglichst flächendeckend Verbreitung finden sollten, z.B. der Einsatz von Jugendhilfeexpert*innen in Gesundheitsämtern bzw. der Einsatz von Psychiater*innen in Jugendämtern. Wichtig sei zudem eine gleichberechtigte Kooperation der Akteur*innen. Interdisziplinäre Ansätze könnten nur dann erfolgreich sein, wenn die Expertise der anderen Disziplinen anerkannt würde. Auf der Ebene der Fachkräfte sei überdies "die Entwicklung eines gemeinsamen Fallverständnisses und einer gemeinsmen Haltung" wichtig, um Missverständnisse möglichst frühzeitig zu vermeiden

Das gemeinsame Impulspapier der vier Verbände finden Sie u.a. auf der Seite der DGSF.

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Quelle: Mit Informationen der DGSF vom 5.7.2019