CfP: Jahrbuch Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft 2019

Forschende und Lehrende aus der Erziehungswissenschaft sind aufgerufen, sich mit theoretischen Beiträgen, bildungskonzeptionellen Überlegungen und empirischen Forschungsergebnissen in das geplante Jahrbuch Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft "Geschlechterreflektierte Professionalisierung – Geschlecht und Professionalität" einzubringen.

Die Herausgeberinnen und Herausgeber sind Prof. Dr.Robert Baar, Uni Bremen, Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften, die Professorin für Allgemeine Pädagogik und Soziale Arbeit an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin Jutta Hartmann und Prof. Dr. Marita Kampshoff vom Institut für Erziehungswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Sie wünschen sich Beiträge, die sich den Herausforderungen für geschlechterreflektierte und -reflektierende Professionalität und/oder Professionalisierung vor dem Hintergrund verschiedener theoretischer Gendertheorien (etwa sozialkonstruktivistischer, dekonstruktiver, queerer Ansätze) und der dort jeweils entwickelten Diskurse und Debatten stellen. Ansatzpunkte für Beiträge könnten die Auseinandersetzung mit den Begriffen der geschlechterreflektierenden oder der geschlechterreflektierten Professionalisierung sein oder Fragen zu Professionalität in pädagogischen Handlungsfeldern, das Thema Gender in der Lehre, die berufliche Orientierung von bestimmten Gruppen oder auch die Kritik an Dualismen, Differenzreifizierungen oder Stereotypisierungen innerhalb der Debatten. Weiterführende Fragen wären etwa: Was beinhaltet geschlechterreflektierende und geschlechterreflektierte Professionalisierung und Professionalität? Welche Auswirkungen haben diese auf die pädagogische Praxis, auf Kinder, Jugendliche, die Zusammenarbeit mit Erziehungsberechtigen sowie auf die Arbeits-, Kooperations-, Macht- und Geschlechterverhältnisse innerhalb der Kollegien oder der Teams? Wie lassen sich wissenschaftliche Erkenntnisse und praktisches Erfahrungswissen zusammenbringen und dynamisch halten? Ist die Forderung nach genderreflektierender Professionalität rein normativ oder gibt es evidenzbasierte Begründungszusammenhänge? Welche Rolle spielt Gender in der Lehre und wie kann eine geschlechterreflektierte Professionalität bei Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern aussehen? Welcher Lehr-Lern-Settings bedarf es für den Herausbildungsprozess von Professionalität? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede finden sich in dem, was geschlechterreflektierende Perspektiven in Sozial- und Schulpädagogik bedeuten? Und inwiefern besteht die Gefahr, die Kategorie Geschlecht im Zuge geschlechtergerechter Sprachregelungen zur Disziplinierungskategorie zu verengen? Worin liegt das widerständige Potenzial des Differenzgedankens?

In der Ausschreibung heißt es erläuternd: In Bezug auf Professionalität/Professionalisierung in (und für) pädagogische(n) Handlungsfelder (n) werden hauptsächlich drei theoretische Ansätze (kontrovers) diskutiert. Kompetenztheoretische Ansätze gehen davon aus, dass Professionalität im Zusammenspiel von professionellem Wissen (pädagogisches Wissen, Fachwissen, fachdidaktisches Wissen) und affektiv-motivationalen Charakteristika (fachbezogene und persönliche Überzeugungen, Berufsmotivation) sowie mit Organisations- und Beratungswissen erfasst und entwickelt werden kann. Strukturtheoretische Ansätze verweisen eher auf die Ungewissheit pädagogisch verantworteter Entscheidungen in offenen Situationen oder auf die Antinomien, denen etwa Lehrer_innen ausgesetzt sind und die diese reflektieren, moderieren und bewältigen müssen. Berufsbiographisch orientierte Ansätze arbeiten das Professionsverständnis von pädagogisch Tätigen vor der Folie der eigenen Berufskarriere heraus. Hier lassen sich etwa verschiedene Generationen betrachten oder ob und von wem Leitungsfunktionen übernommen werden. Untersucht werden können auf diese Weise auch die beruflichen Orientierungen von Frauen* und Männern*.

Auch im Bereich von geschlechterreflektierter und geschlechterreflektierender Professionalität und Professionalisierung lassen sich verschiedene theoretische Zugänge ausmachen. Die Entwicklung von Genderkompetenz, die etwa auf Wissen-Können-Wollen aufbaut, erinnert an kompetenztheoretische Zugänge. Sie wird in jüngster Zeit kritisiert und es wird im Zuge einer Ablehnung neoliberaler Haltungen eine Kompetenzlosigkeitskompetenz auch mit Blick auf Gender eingefordert. Geschlechtersensible, geschlechtsbewusste, geschlechtergerechte Konzepte werden entwickelt, um eine geschlechterreflektierende und geschlechterreflektierte Professionalisierung voranzutreiben. Vielfach wurden diese Ansätze im Kontext der parteilichen Mädchen*- und antisexistischer Jungen*arbeit sowie einer sowohl im schulischen wie außerschulischen Bereich diskutierten reflexiven Koedukation entwickelt. Ansätze, die eine geschlechterreflektierte Pädagogik vertreten, scheinen sich für eine Verknüpfung insbesondere mit strukturtheoretischen oder biographiebezogenen Professionalitätstheorien zu eignen. Debatten um doing gender, queere Perspektiven und Dekonstruktion führen dazu, dass das zweigeschlechtliche Paradigma, das oftmals hinter diesen Konzepten steht, in Frage gestellt wird.

Der Wunsch Trans*Jugendliche, Mädchen* sowie Jungen* nicht auszugrenzen und auch die sexuelle Lebensweise nicht länger auszuklammern, führt schließlich dazu, dass sich Genderreflexivität im Kontext des Topos ‚geschlechtliche und sexuelle Vielfalt' eine neue Dimension zu eröffnen scheint. Last but not least führt auch die Debatte um Intersektionalität und interdependente Kategorien beim Thema geschlechterreflektierter Professionalität und Professionalisierung zu einem Einbeziehen weiterer Differenzkategorien. Hier geht es insbesondere darum, vielfältige Diskriminierungsmechanismen und die darunterliegenden Machtverhältnisse aufzudecken.

Das Jahrbuch (Frauen- und Geschlechterforschung 2019, Band 15) soll etwa acht Beiträge im Umfang von jeweils bis 35.000 Zeichen zu diesem thematischen Schwerpunkt enthalten. Darüber hinaus enthält es in einem offenen Teil Diskussions- und Forschungsbeiträge (Umfang jeweils bis 20.000 Zeichen). Erwünscht sind zudem Tagungsberichte, Rezensionen und Sammelrezensionen zum Themenschwerpunkt und auch zu anderen gegenwärtig relevanten Forschungsfeldern.

Alle Beiträge werden nach einem anonymen Peer-Review-Verfahren ausgewählt. Interessierte werden gebeten, Exposés im Umfang von ca. 3.000 Zeichen bis zum
30. August 2017 an die Herausgeberinnen und Herausgeber zu senden (E-Mail-Adressen: baar@uni-bremen.de, jutta.hartmann@ash-berlin.eu, marita.kampshoff@ph-gmuend.de). Nach der Sichtung erfolgt die Einladung an die Autorinnen und Autoren bis zum 30. September 2017. Die ausgearbeiteten Beiträge sollten dann bis Ende Februar 2018 vorliegen, damit genügend Zeit für das Peer-Review-Verfahren bleibt. Der Band erscheint im Frühjahr 2019 im Barbara Budrich Verlag.


Quelle: Aktuelle Meldung von Prof. Dr. Robert Baar, Uni Bremen, vom 2. Mai 2017