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bff fordert die konsequente Umsetzung von Gewaltschutz

Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe - Frauen gegen Gewalt e.V. (bff) kritisiert nach der Tötung von mehreren Menschen mit Behinderungen in einem Potsdamer Wohnheim die unreflektierte Berichterstattung. Ebenso macht der Verband aufmerksam auf hohe Betroffenheit von Frauen und Mädchen mit Behinderungen und fordert ein aktives Vorgehen gegen Gewalt in Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Bei einer tödlichen Gewalttat in einer Potsdamer Einrichtung der Behindertenhilfe sind zwei Frauen und zwei Männer mit Behinderungen von einer seit langem dort im pflegerischen Bereich tätigen Person mit einem Messer getötet wurden. Die fünfte attackierte Person überlebte den Angriff schwer verletzt. Wie viele Selbstvertretungsorganisationen kritisiert auch der bff die unreflektierte und diskriminierende Berichterstattung über die Gewalttat und fordert die Politik dazu auf, aktiv gegen Gewalt in Einrichtungen der Behindertenhilfe vorzugehen. Die Gewalt in Potsdam hat uns nochmal vor Augen geführt: Ableistische Gewalt ist kein Einzelfall, sondern tief verwurzelt in unserer Gesellschaft. Ein gewaltfreies Leben für Menschen mit Behinderungen ist immer noch keine Selbstverständlichkeit. Studien belegen, dass die Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Behinderungen, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben und arbeiten, besonders hoch ist. „In den Einrichtungen erleben die Menschen oft Einschränkungen in ihrer Selbstbestimmung. Sie haben wenig Mitbestimmungs-möglichkeiten und die Privatsphäre ist unzureichend geschützt“ erklärt Sandra Boger, Referentin beim bff.

Artikel 16 der UN-Behindertenrechtskonvention und Artikel 4 der Istanbul-Konvention fordern dazu auf, Frauen und Mädchen mit Behinderungen vor Gewalt und Missbrauch zu schützen und ihnen einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Maßnahmen und Angeboten zu gewährleisten. Obwohl diese beiden Konventionen einen gesetzlichen Rahmen für einen konsequenten Gewaltschutz vor allem für Frauen und Mädchen mit Behinderungen bereitstellen, mangelt es nach wie vor an einer flächendeckenden Umsetzung. „Wir brauchen dringend die Umsetzung von umfassenden Gewaltschutzstrategien und ein barrierearmes und bedarfsgerechtes Hilfesystem für alle Menschen.“ erläutert Sandra Boger.

Der bff setzt sich dafür ein, die Perspektiven und Erfahrungen von gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen mit Behinderungen sichtbar zu machen und ihnen einen barrierearmen sowie wirksamen Zugang zur Justiz und zum Recht zu ermöglichen. Anlässlich des Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen fordert der bff Bund und Länder in ihren jeweiligen Zuständigkeiten dazu auf, konsequent gegen die strukturellen Bedingungen, die zu systematischer Gewalt in Einrichtungen der Behindertenhilfe führen, vorzugehen. Ableismus als eine Form von Gewalt muss benannt und bekämpft werden – auf politischer Ebene, in den Köpfen einzelner und in der gesamten Gesellschaft. Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf ein diskriminierungsfreies und selbstbestimmtes Leben ohne Gewalt.


Quelle: Pressemitteilung des bff vom 05.05.2021