Betriebserlaubnis erlangen und sichern
Wie freie Träger rechtliche Grundlagen nach § 45 SGB VIII erfolgreich umsetzen
Das neue KJSG reformiert das SGB VIII und fokussiert unter anderem auch einen verbesserten Kinderschutz. So konkretisiert das KJSG auch die Anforderungen an eine Betriebserlaubnis in § 45 SGB VIII und fordert die freien Träger in besonderem Maße zum Handeln auf, wollen sie kein Risiko eingehen und sich zukunftsfähig und wirtschaftlich erfolgreich aufstellen. Insbesondere vier wesentliche Ebenen müssen in den Blick genommen werden, um die neuen rechtlichen Grundlagen erfolgreich umzusetzen.
Mit den Änderungen durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) steht die gesamte freie und öffentliche Kinder- und Jugendhilfe derzeit mitten in einem Prozess der Neustrukturierung auf allen Ebenen. Gerade die Anpassungen des § 45 SGB VIII haben weitreichende Konsequenzen für die Branche. So bekommen die Landesjugendämter mehr Handlungsmöglichkeiten, um die Betriebserlaubnis einzuschränken oder zu entziehen. Die im Gesetz konkreter formulierten Möglichkeiten der Aufsicht und Kontrolle der Heimaufsicht tragen damit zu einem besseren Kinder- und Jugendschutz bei. Sie fordern allerdings auch das Top-Management dazu auf, sich umfassend mit allen Faktoren zu befassen, die für die Sicherung der bestehenden und den Erhalt einer neuen Betriebserlaubnis relevant sind.
Risikomanagement auf vier wesentlichen Ebenen
Um eine Betriebserlaubnis zu erhalten, müssen Träger bestimmte räumliche, fachliche, wirtschaftliche und personelle Voraussetzungen erfüllen. Diese verteilen sich im Wesentlichen auf vier Ebenen: Zuverlässigkeit des Trägers, Liquidität, Ordnungsgemäße Buch- und Aktenführung und Kinderschutzmaßnahmen.
1. Zuverlässigkeit des Trägers
Die Zuverlässigkeit eines Trägers – ein im Gesetz unbestimmter Rechtsbegriff – wird u. a. an folgenden Kriterien festgemacht: Die Gewährung des Kindeswohls, die Beschäftigung von ausreichend Personal mit den erforderlichen Qualifikationen, eine vollumfängliche Umsetzung der Konzeption sowie professionelles und korrektes Verhalten aller Mitarbeiter*innen. Ein Träger lässt laut Gesetz die nötige Zuverlässigkeit vermissen, wenn dieser gegen Melde- und Mitwirkungspflichten verstößt, Personen entgegen einem behördlichen Beschäftigungsverbot beschäftigt oder zum wiederholten Male gegen behördliche Auflagen verstößt. Die Aufsichtsbehörden können die Zuverlässigkeit der Träger jederzeit ohne Ankündigung vor Ort prüfen.
2. Liquidität
Für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ist es von existenzieller Bedeutung, dass sie zahlungsfähig sind. Ein Entzug der Betriebserlaubnis käme in Frage, wenn die Zahlungsschwierigkeiten zur Gefährdung des Kindeswohls führen. Das ist dann der Fall, wenn Träger aus diesem Grund Gehälter nicht zahlen und in der Folge die Betreuung nicht aufrechterhalten können.
3. Ordnungsgemäße Buch- und Aktenführung
Für den Nachweis einer ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung müssen Träger bei einer Prüfung insbesondere Arbeitszeiten und Dienstpläne, die erweiterten Führungszeugnisse der Mitarbeiter*innen, die fall- und gruppenbezogene Aktenführung, die Dokumentation pädagogischer Prozesse, Belegungsdokumentationen sowie Unterlagen zur Buchführung vorlegen können. Die genannten Dokumente müssen fünf Jahre aufbewahrt werden. Auch hier steht der Kinderschutz im Vordergrund, da sich aus dieser Dokumentation möglicherweise Anhaltspunkte ergeben, die zur Vermeidung einer Gefährdung des Kindeswohls wichtig sein können.
4. Kinderschutzmaßnahmen
Der § 45 SGB VIII verpflichtet dazu ein Gewaltschutzkonzept vorzuhalten, das auf einer individuellen Risikoanalyse basiert und innerhalb der Einrichtung gelebt und fortlaufend überprüft sowie angepasst wird. Bei der Erstellung eines entsprechenden Konzeptes gilt es das fachliche Profil, die Besonderheiten der Zielgruppe, die Ausstattung der Einrichtung sowie Standards und Maßnahmen des Gewaltschutzes zu berücksichtigen. Zudem besteht die Pflicht, Selbstvertretungs- und Beteiligungsinstrumente für geeignete Verfahren der Selbstvertretung zu implementieren. Darüber hinaus bedarf es externer Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche, wie bspw. Ombudsstellen.
Entscheidend ist der Blick auf das große Ganze
Die vier oben beschriebenen Ebenen reichen zum Teil weit in das operative Geschäft. Neben der Delegation der Aufgaben an die Einrichtungsleitungen bzw. die mittlere Führungsebene, ist es wichtig, das große Ganze in den Blick zu nehmen.
In diesem Veränderungsprozess liegt für die Träger eine großartige Chance. So können sie sich neu strukturieren und dadurch neu in der Branche profilieren. Um dies erfolgreich zu bewerkstelligen, ist der Blick auf die Gesamtorganisation entscheidend. Aktionistische Einzelmaßnahmen rauben Ressourcen und führen möglicherweise langfristig nicht zum Erfolg.
Bevor also Maßnahmen für das Risikomanagement in den verschiedenen Ebenen umgesetzt und in die jeweilige Einrichtung delegiert werden, helfen einheitliche Standards, eine trägerweite Planung für den Veränderungsprozess und die Steuerung und Überwachung dessen durch das Top-Management. Das Ziel sollte sein die Organisation auf Basis der gesetzlichen Vorgaben strategisch und ganzheitlich weiterzuentwickeln und damit die Qualität der Leistungen zu sichern. Hierbei helfen ein professionelles Controlling, sorgfältige Dokumentation, gut vorbereitete Leistungs- und Entgeltverhandlungen und eine innovative Konzeptentwicklung.
Diese strategische Entwicklung mit einer extern unterstützten Steuerung, Überprüfung und Überwachung umzusetzen, kann dabei nützlich sein.
Zur Person: Claudia Langholz
Managementberaterin für die Eingliederungshilfe und Kinder- und Jugendhilfe bei der contec GmbH
Claudia Langholz ist spezialisiert auf die Beratung bei fachlichen und strukturellen Fragestellungen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Sie begleitet Vorstände, Geschäftsführungen und Führungskräfte der Kinder- und Jugendhilfe bei der strategischen Neuausrichtung im Zuge des KJSG sowie bei wirtschaftlichen, personellen und fachlichen Maßnahmen für ein professionelles Leistungsangebot.