Zwangsbehandlung vermeiden! Betreuung professionalisieren

Betreuung ist Menschenrechtsarbeit. Sie muss professionalisiert werden und sie braucht geeignete Rahmenbedingungen. Dies forderte der Bundesverband der Berufsbetreuer/innen im Rahmen einer Fachtagung am 13. Juni in Berlin, an der Experten aus Politik, Verbänden, Behörden und Wissenschaft teilnahmen.

Anlass und Hintergrund: Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Juni 2012 jeglicher Form von Zwang eine Abfuhr erteilt. Der Gesetzgeber hat daraufhin Regelungen zur betreuungsrechtlichen Einwilligung in ärztliche Zwangsmaßnahmen verabschiedet. In ihrer Grußbotschaft an die BdB-Fachtagung sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: „Der Gesetzgeber hat eine Regelung getroffen, die etliche Verbesserungen bringt und den betroffenen Menschen hilft. Bei der Anwendung in der Praxis sind alle Beteiligten gefordert, Potentiale zur Verbesserung zu nutzen, um dem Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Menschen gerecht zu werden.“ Experten sehen in der „unterstützten Entscheidungsfindung“ das beste Mittel, um Zwangsbehandlungen zu vermeiden und die Grundrechte der Betroffenen zu schützen. Die Praxis zeigt, so der Vorsitzende des BdB Klaus Förter-Vondey, dass die „unterstützte Entscheidungsfindung“ eines professionellen Betreuungsmanagements bedarf, um Selbstverantwortung und Selbstmanagement des Betroffenen zu stärken. Dies erfordert Zeit und Professionalität. Die Zeitkontingente, die Betreuer für ihre Klienten zur Verfügung haben, sind mit durchschnittlich 3,2 Stunden pro Monat zu knapp bemessen. In der Entwicklung der Betreuungsfachlichkeit sieht Förter-Vondey ein entscheidendes Instrument zur Vermeidung von Zwang. „Die Profession Betreuung muss etabliert werden, im Blick auf Ausbildung, Zulassung, Qualitätsentwicklung und Selbstverwaltung.“ Unterstützung kam von Dr. Bernd Schulte, wissenschaftlicher Referent und Consultant. Die Selbstbestimmung könne durch eine Weiterentwicklung der Betreuung gestärkt werden, so Schulte. Qualifizierte Berufsbetreuer müssen daher stärker in das therapeutische und rehabilitative Geschehen eingebunden werden. „Ein in diesem Zusammenhang zu diskutierender Ansatz ist das vom BdB vorgeschlagene trägerunabhängige und personenzentrierte Einzelfall-Management, das im Sinne des der UN-Behindertenrechtskonvention zugrunde liegenden Prinzips ‚Assistenz statt Vertretung‘ Personen bei der Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit unterstützt“, sagt Schulte. Unter der Überschrift „Weichenstellung für eine erfolgreiche Praxis der Zwangsvermeidung: Wie kann die Politik die Rahmenbedingungen“ verbessern, diskutierten unter Leitung des BdB-Geschäftsführers Dr. Harald Freter zum Ende der Tagung hochkarätige Experten, darunter Ruth Fricke vom Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener, Ingrid Hönlinger (MdB, Bündnis 90/Die Grünen), Thomas Silberhorn (MdB, CDU/CSU) und Jörn Wunderlich (MdB, Die Linke) sowie der BdB-Vorsitzende Klaus Förter-Vondey. Die Runde stimmte darin überein, dass das neue Gesetz hohe Anforderungen an die Betreuerinnen und Betreuer stellt und diese deshalb mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet werden müssen. Die drei Politiker/innen sagten zu, sich in ihren Parteien dafür einzusetzen, dass im Rahmen von Koalitionsverhandlungen eine Professionalisierung des Berufs und eine Erhöhung der abrechenbaren Zeitkontingente und der Stundensätze vorgesehen werden.
 
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Quelle: Pressemitteilung des Bundesverbandes der Berufsbetreuer/innen e.V. (BdB) vom 14.06.2013