Gläser mit Worten drin
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Worthäppchen im Glas

Ich habe meine Sprüchesammlung ausgedruckt. Es sind sechs A4 Seiten geworden, auf jedes Blatt passen etwa zehn Sprüche, es sind Zitate, Aphorismen, Sprichwörter und eigene Glaubenssätze, auch Einträge aus dem Poesiealbum, die ich geändert habe. Also nur gute Sätze, hilfreiche oder lustige.

Als Kind hörte ich zum Beispiel immer „Müßiggang ist aller Laster Anfang“ und Lasterhaftigkeit führte ins Verderben, so die trübe Aussicht. Fleiß war ein Wert, der mir nicht nur durch meine Eltern vermittelt wurde. Doch nicht nur mir drohte dieser Fleiß, der nie genug war, im Laufe des Lebens zum Verhängnis zu werden. In Maßen mag der Fleiß ja nicht schädlich sein, aber der Müßiggang hat auch seine Berechtigung, und ich sage „Müßiggang ist aller Schöpfung Anfang“. Ich brauche auch Raum für Kreativität, und die Kreativität braucht Langeweile und Muße, also ergänze ich „… drum üb ich täglich Müßiggang, damit ich kreativ sein kann“.

Als ich gerade am Zuschneiden der Zettelchen war, kam meine Kollegin. Sie fand das genial und nun haben wir ein großes Glas mit kleinen zusammengefalteten Zetteln in unseren Arbeitsräumen. Wenn wir Elterngespräche haben, gibt es neben Wasser oder Tee auch ein „Worthäppchen“. Und es kommt gut an. Frau Berger, die Mutter von Mirko und Luna, nahm sich „die Hoffnung auf Erfolg braucht auch den Mut für das Scheitern“, mit, und ich habe die Zettel jetzt nummeriert, damit ich sie stets vollständig halten kann. Als nächstes möchte ich sie farblich nach Themen sortieren, und ich suche gezielt Sätze, die zum Thema Selbstfürsorge passen, denn wir wollen einen Teamtag zum Thema machen, und meine Koordinatorin fragte, ob ich den mit ihr gemeinsam vorbereiten mag. Ich denke noch drüber nach.

Worte im Glas

Der große Träger, dem ich hier so langsam mal einen Namen geben sollte, gefällt mir immer besser. Inzwischen steht die Verabschiedung der Interimsgeschäftsführung an, und das Co-Team der neuen Geschäftsführung hat die Arbeit aufgenommen. Es sind zwei Frauen. Das gefällt mir. Bei den meisten Trägern sind ja die obersten Plätze männlich besetzt, die Frauen tummeln sich in den unteren Etagen.     

Bei Arians Träger läuft es schon eine ganze Weile nicht mehr so gut. Ich finde immer weniger das, was ich am Anfang erwartet hatte und er mir auch in Aussicht gestellte hatte. Außerdem scheint Arian mir aus dem Weg zu gehen, seit ich es zum zweiten Mal abgelehnt habe, in die Fallarbeit einzusteigen. Meine letzten E-Mails blieben unbeantwortet, und mein Kinderschutzgespräch für März hat er „wegen zeitlicher Engpässe“ kurzfristig abgesagt. Ob er überarbeitet ist oder ob ich das unter passiv aggressiv verbuchen soll, weiß ich noch nicht. Es sieht jedenfalls so aus, als ob es nun doch nicht so gut passt mit uns. Er hatte offensichtlich ganz andere Vorstellungen davon, was eine Kinderschutzbeauftragte macht und was sie nicht macht. Und er hat offensichtlich nicht zugehört, als ich ihm das in unseren ersten Gesprächen erklärt habe. Ich jedenfalls werde nicht in die Fallarbeit einsteigen, ich möchte die Fachberatung Kinderschutz machen und das Schutzkonzept weiterentwickeln, und zwar mit dem Team und nicht für das Team, so wie er das gern wollte. Ich denke „was nicht passt wird auch nicht passend gemacht“ und es sieht ganz so aus, als ob ich mal wieder kündige.

„Wirst du denn nie ankommen?“ höre ich eine alte Stimme in mir, und eine neue Stimme sagt: „doch, ich komme an, ich verweile so lange es gut für mich ist, und dann ziehe ich weiter“.

Ihre Katja Änderlich*


*Pseudonym der Autorin