Sieben Dosen eines Covid-19-Impfstoffes
Braňo / Unsplash

Wiederholte Forderung nach Freigabe von Impfstoffpatenten

Mit der erfolgreichen Entwicklung der ersten Covid-19-Impfstoffe kam auch die Diskussion um Patente für ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung der Pandemie auf. Inzwischen sind die Impfstoffe seit einem Jahr verfügbar, die weltweite Verteilung jedoch weiterhin ungleich. Was spricht für oder gegen eine Freigabe von Impfstoffpatenten? Ein Überblick.

Ungleiche Verteilung von Impfstoffen

Seit nun fast 2 Jahren grassiert das Corona-Virus – weltweit. Die Verteilung von Impfstoffen ist dabei sehr ungleich: in europäischen Ländern sind ausreichend Impfstoffe verfügbar, um der Bevölkerung inzwischen die dritte Impfung zu verabreichen, insgesamt sind hier etwa 204 Millionen Menschen bereits geboostert. Auf dem afrikanischen Kontinent hingegen haben laut der People's Vaccine Alliance aufgrund des Mangels an Impfstoffen gerade Mal 11 Prozent der Bevölkerung ihre zweite Impfung erhalten. Das entspricht etwa 151 Millionen Menschen.

„Die EU redet von einer „erfolgreichen Partnerschaft von Gleichberechtigten", die sie mit der Afrikanischen Union führe. Tatsächlich werfen sie mehr Impfdosen weg, als sie uns spenden, während sie gleichzeitig den Waiver für Impfstoffpatente blockieren, der es uns ermöglichen würde, unsere eigenen Impfstoffe herzustellen. Was ist daran gleichberechtigt?" kritisiert Sani Baba Mohammed, Regionalsekretär für Afrika und die arabischen Länder von der Gewerkschaftsföderation „Internationale der Öffentlichen Dienste". Während 30 Millionen Impfdosen an afrikanische Länder gespendet wurden, wird die EU bis Ende Februar insgesamt 50 Millionen abgelaufene Dosen Impfstoff entsorgen.

Forderungen nach Patentfreigabe

Unter diesen Gesichtspunkten werden wiederholt unzählige Forderungen laut, die durch das TRIPS-Abkommen geschützten Patente temporär auszusetzen. Bereits im Januar 2021, also vor den ersten Verabreichungen von Covid-19-Impfungen in Deutschland, reichte die Linke im Bundestag einen entsprechenden Antrag ein, „Patentinhaber und Hersteller zur Vergabe von Lizenzen und zum Transfer des technologischen Know-hows zu veranlassen". Weder nationale noch wirtschaftliche Interessen dürften die Bekämpfung der Pandemie beeinträchtigen, so die Linke.

Gegenüber der Welthandelsorganisation (WTO) befürworten mehr als 100 Länder eine Aussetzung der Covid-19-Patente. Darunter zuletzt auch US-Präsident Biden mit einem Appell an die europäischen Staaten.

Infografik: Impfstoff-Patentfreigabe: Europa in der Verantwortung | Statista

Vor allem die europäischen Länder blockieren trotz zunehmenden Drucks diese Freigabe. Derweil überdenkt inzwischen auch die Europäische Kommission ihre Position gegen eine Freigabe - seit November letzten Jahres hat sich daran trotzdessen nichts geändert.

Argumente gegen die Patentfreigabe widerlegt oder stark übertrieben

Grundsätzlich wäre eine Freigabe der Impfstoffpatente und eine damit potenziell einhergehende Produktionssteigerung von Dosen ein sinnvoller Schritt bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. Eines der Gegenargumente bezieht sich auf die Komplexität der Herstellung von Impfstoffen mit mRNA-Technologie, wonach anderen Ländern die Herstellung des Impfstoffes auch aufgrund schwieriger Lieferketten nicht gelingen könne. Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zufolge ist dies aber bereits widerlegt: Einige Länder wie Russland und China haben derartige Impfstoffe entwickelt, und mit dem nötigen Know-how wären viele Unternehmen auch in anderen Ländern innerhalb kurzer Zeit in der Lage, eine eigene Produktion zu starten.

Grundsätzlichere Bedenken gelten den Profiten von Pharmakonzernen. Im Vordergrund steht dabei die Bedrohung durch Nachahmerpräparate, so genannten Generika, die die Marktmacht reduzieren und die Preise der Impfstoffe deutlich senken würden. Es wäre also nicht mit einem Ausbleiben, sondern lediglich mit geringeren Profiten zu rechnen. Wenn auch das Profitstreben dieser Konzerne ein wichtiger Anreiz für eine schnelle Entwicklung und Produktion gewesen ist, sind die massiven staatlichen Investitionen, die zur Grundlagenforschung der Impfstoffe beigetragen haben nicht zu vergesen. „...ein Quasi-Monopol führt zu hohen Gewinnen für die erfolgreichen Konzerne, aber häufig auch zu einer Verknappung des Angebots und vor allem langfristig zu weniger Innovation. Eine schnelle Freigabe des Patentschutzes für Covid-19 Impfstoffe wäre somit nicht unbedingt schädlich für zukünftige Forschung und Entwicklung im Pharmabereich. Im Gegenteil, der Wettbewerb und damit auch die Innovation würde zunehmen. Zumal die mRNA-Technologie nicht nur als Impfstoff gegen Covid, sondern für viele andere Krankheiten, vor allem Krebs, erforscht wird und erste Erfolge gezeigt hat." so Marcel Fratzscher, Präsident des Vorstands des DIW Berlin.

Für Unternehmen wie Biontech dürfte sich die Entwicklung des Impfstoffes trotz möglicher Patentfeigabe gelohnt haben. Allein die auf rund eine Milliarde Euro geschätzten Gewerbesteuerzahlungen des Unternehmens sorgen dafür, dass die Stadt Mainz aufgrund des Haushaltsüberschusses plant bis Ende 2022 schuldenfrei zu sein.

Fazit

Die Blockade der Herausgabe von Impfstoffpatenten beruht einzig auf dem Schutz der Interessen einzelner Pharmakonzerne und nationaler Wirtschaftsstärke und erhält damit globale Machtstrukturen aufrecht. Angesichts einer globalen Bedrohung wie einer Pandemie eine bedenkliche Herangehensweise. Und das nicht nur auf moralischer Ebene. Solange die Pandemie weiter besteht ist sie für niemanden beendet - und die Wirkung der bereits entwickelten Impstoffe bei zukünftig möglichen Virusmutationen nicht sicher.


Quelle: Mit Informationen von: Oxfam - Pressemitteilung vom 16.02.2022, Statista, DIW Berlin sowie dem SWR

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