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Was brauchen vulnerable Bevölkerungsgruppen in Krisensituationen?

Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit akzeptiert keine gesundheitlichen und sozialen Benachteiligungen, die gerade in Krisenzeiten einen wachsenden Anteil der Bevölkerung treffen können. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Lebensverhältnisse für alle Menschen zu verbessern. Ein entscheidender Faktor ist dabei auch der Blick auf die sozialen Zusammenhänge, in denen Personen leben. Für die Stärkung sozialer Teilhabe wird mehr denn je eine starke Stimme der Sozialen Arbeit benötigt. Der gesellschaftliche Wandel in Krisenzeiten und die daraus resultierenden Herausforderungen für die gesundheitsbezogene Soziale Arbeit stehen im Mittelpunkt des diesjährigen Bundeskongresses der Deutschen Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (DVSG). An der Veranstaltung am 10. und 11. November 2022 in Kassel nehmen rund 750 Fachkräfte aus dem Gesundheits- und Sozialwesen teil.

Weltweit stehen Menschen und Staaten vor enormen Herausforderungen, um beispielsweise den Folgen der COVID-19-Pandemie, des Klimawandels, kriegerischen Auseinandersetzung wie aktuell den Ukraine-Krieg, Fluchtbewegungen und dem Erstarken nationaler Bewegungen aktiv begegnen zu können. Diese krisenhaften globalen Entwicklungen verstärken einander und bergen hohe Risiken für Gesundheit und soziale Teilhabe für einen wachsenden Anteil der Bevölkerung. Die Corona-Pandemie hat beispielhaft gezeigt, wie sich Lebenslagen und gesundheitlicher Status in kurzer Zeit verändern können. Vor allem vulnerable Bevölkerungsgruppen und Menschen, die ohnehin in prekären Verhältnissen leben, sind von solchen Veränderungen und unsicheren Entwicklungen besonders betroffen. In einer zunehmend digitalisierten und globalisierten Welt können sie ihre Interessen nicht mehr angemessen vertreten und drohen aus dem Versorgungsnetz zu fallen.

„Gesundheit und die soziale Frage hängen eng zusammen. Um sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit entgegenzuwirken, orientieren wir uns an Menschenrechten und der Chance auf ein gutes Leben für alle. Aktuell ist es noch zwingender für die gesundheitsbezogene Soziale Arbeit neben der individuellen Unterstützung der Adressat:innen auf die Verbesserung von Lebenslagen einzuwirken“, betont der 1. Vorsitzende der DVSG, Prof. Dr. Stephan Dettmers, in seinem Eröffnungsstatement. Gesellschaftlicher Wandel ist eine immerwährende Konstante und birgt ebenso Risiken und Chancen für Gesellschaften.

Für die Adressat:innen gesundheitsbezogener Sozialer Arbeit zeigen sich viel häufiger psychosoziale Risiken, geringere soziale Sicherheit und Benachteiligungen im Zusammenhang mit freier Entfaltung und sozialer Teilhabe. Schlechtere Lebenslagen und subjektiv erlebte Lebenswelten erfordern Strategien des sozialen Zusammenhaltes und der Stärkung von benachteiligten Menschen. Dafür hat die Soziale Arbeit fachliche Zugänge in Praxis und Forschung entwickelt und akzeptiert als Profession keine gesellschaftlich und damit menschlich produzierten Benachteiligungen beispielsweise durch gesundheitliche Ungleichheit und Diskriminierung. Professor Dettmers dazu: „Dieser Bundeskongress ist somit auch als ein fachpolitisches Signal zu verstehen – trotz der allgemeinen Fokussierung auf Pandemie, Krieg und Klimawandel – die von den Folgen der Krisen unmittelbar betroffenen Menschen wieder stärker in Politik und in der öffentlichen Debatte zu berücksichtigen.“

Strukturelle Verbesserungen von Lebensverhältnissen stehen auch im Zentrum der Anstrengungen des Sozialverbandes VdK Deutschland. Er fordert in seinem Impuls-Vortrag eine gerechte Lastenverteilung in der Krise. Dazu gehöre vor allem solidarisches Handeln: starke Schultern müssen mehr tragen als schwache. Es wird ein starker Sozialstaat gebraucht, der mit langfristig angelegten Reformen bei der Kranken, Pflege- und Rentenversicherung umfassende Sicherheit für alle Bürger:innen schafft. Der VdK setzt sich schon lange für die Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung ein, in die alle einzahlen. Nach Auffassung des Sozialverbandes ist zudem ein gutes und gerechtes Verteilungsprinzip für staatliche Leistungen notwendig. Es müsse hierfür ein einfaches Verfahren ohne großen Bürokratieaufwand gefunden werden, um solche Leistungen an den richtigen Personenkreis zu zahlen.

„Es ist eine Stärke der gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit, dass sie all diese Fragestellungen und damit verbundenen Herausforderungen aktiv aufgreift. Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit findet in der alltäglichen Praxis tragbare Lösungen und arbeitet zugleich in Wissenschaft und Politik an zukunftsfähigen Strategien mit dem Ziel, ein solidarisches und soziales Gesundheitswesen nachhaltig mitzugestalten“, lautet das erste Fazit von Ulrike Kramer, 2. Vorsitzende der DVSG.


Quelle: Pressemitteilung des DVSG e.V. vom 10.11.2022