(Ver)träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum!

von Dr. Jos Schnurer
10.08.2016

Collage von Dr. Jos Schnurer
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„Träume sind Schäume“ – Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gehen. Wirklich arm ist nur, wer nie träumt!“ (Marie von Ebner-Eschenbach) – „I have a dream“ (Martin Luther King) – „Träumen heißt, über den Horizont hinaus zu schauen“ (afrikanisches Sprichwort). Menschen haben philosophisch, anthropologisch, psychologisch und psychoanalytisch immer schon darüber nachgedacht, was im menschlichen Dasein ein Traum ist, was träumen für das individuelle, alltägliche und kollektive Dasein bedeutet und wie Träume gedeutet werden können. In der antiken Philosophie von Aristoteles wird „enhypnon“, Traum, als Seelenleben während des Schlafs bezeichnet. Die Erlebnisse während des Schlafs sind danach „im Wachzustand wahrgenommene Sinneseindrücke, deren Überrest im Schlaf nachwirken“[1]. Durch die neurophysiologischen Forschungen haben sich mittlerweile einigermaßen objektive Erkenntnisse darüber entwickelt, wie Träume zustande kommen und für das Schlaf- und Wacherleben der Menschen wirksam sein können; freilich bisher nur andeutungsweise objektiv, weil Träume, die in den verschiedenen Schlafphasen (REM, NREM) entstehen, nicht konkret ermittelt, sondern nur in der Erinnerung des Träumenden nachvollzogen werden können. Gute und schlechte (Alb-)Träume können, das zeigen die Erfahrungen, wie auch die Forschungsergebnisse in Schlaflabors und psychoanalytischen Untersuchungen, Wirkungen auf körperliche und seelische Zustände ausüben und damit sozusagen das Unbewusste in der menschlichen Existenz sichtbar und spürbar werden lassen. Die Auswirkungen können sich dabei als religiöse, esoterische oder rituelle Einstellungen zeigen, wie auch als politische oder fundamentalistische Haltungen darstellen. In der Kultur- und Literaturgeschichte zur Traumdeutung finden sich zahlreiche Auseinandersetzungen darüber, wie Träume das individuelle Leben der Menschen beeinflussen, bis hin zu Erklärungsmustern, wie sie das kollektive und gesellschaftliche Dasein bestimmen können. Ärzte und Forscher wie Sigmund Freud, Alfred Adler, Carl Gustav Jung, Erich Fromm und andere haben Träume als Reaktion auf das Unbewusste im Menschen definiert. Die Auseinandersetzungen darüber, wie objektiv oder subjektiv Traumdeutungen sind, wie wissenschaftlich beweisbar oder parapsychologisch deutbar Träume verstanden und interpretiert werden können, bestimmen bis heute den Diskurs. Der US-amerikanische, parapsychologische Diagnostiker Edgar Cayce (1877 – 1945) war davon überzeugt: „Träume sind eine Manifestation des Unbewussten. Jede (persönliche) Situation wird zuerst geträumt, bevor sie Realität wird“[2]. In der (neuro-)wissenschaftlichen Oneirologie wird auch davon ausgegangen, dass Träume nichts anderes als neuronale und kognitive Prozesse sind, die als gesamtkörperliche und –seelische Phänomene ablaufen und deshalb keiner Deutung bedürften. Träumen ist deshalb nichts anderes als die Bestätigung, mundan „in der Welt zu sein“. Weil sich menschlicher Geist evolutionär entwickelt hat, kann er nicht als Alleinstellungsmerkmal des Humanum angesehen werden, was zur Folge hat, menschliche Existenz grundsätzlich im Jetzt und Diesseits zu verstehen. Der Mensch ist  „grundlegend nicht ein weltfremdes, sondern ein welthaftes Wesen“[3]. Diesen Spagat gilt es philosophisch und existenziell zu gehen. Im Folgenden wird deshalb auf einige Aspekte aus pädagogischer und zivilisatorischer Sicht verwiesen. Darin steckten die uralten und immer wieder aktuell, situativ und neu zu stellenden Fragen: „Wer bin ich?“ und „Wie bin ich geworden, wie ich bin?“. Dass dies Herausforderungen im Bildungs- und Erziehungsprozess sind, bedarf keiner besonderen Betonung. So bleibt die Aufforderung und Empfehlung, nicht sein Leben zu (ver-)träumen, sondern seinen Traum aktiv, intellektuell und wirklich zu leben.

Bewusstsein ist Wachsein und ...

„cogito ergo sum“ („ich denke, also bin ich“), so drückte der französische Philosoph und Naturwissenschaftler René Descartes (1596 – 1650) das Wissen über sich selbst aus, wobei er auswies, dass der Mensch sich seiner Gedanken unmittelbar bewusst sei, während er die Dinge, die von der Außenwelt auf ihn einwirken, nur unmittelbar aufnehme Bewusstsein ist Bestandteil unseres Geistes und damit unseres individuellen Daseins. „Ohne Bewusstsein ist die persönliche Sichtweise aufgehoben, wir wissen nichts von unserer Existenz, und wir wissen auch nicht, dass irgendetwas anderes existiert“. Der portugiesische Neurowissenschaftler António R. Damásio setzt sich in seinem Buch „Selbst ist der Mensch“ mit zwei spannenden Fragen auseinander: „Wie baut das Gehirn einen Geist auf?“ und „Wie sorgt das Gehirn in diesem Geist für Bewusstsein?“. Damasios Forschungen zum Bewusstsein gehen auf Konfrontation zu der bisherigen, durch Descartes überkommenen Postulate, dass es eine Trennung zwischen Körper und Geist gebe. Er geht vielmehr davon aus, dass ein konstitutiver Zusammenhang zwischen Körper und Geist bestehe und sich die Eigenschaften ständig gegenseitig beeinflussten. „Bewusstsein ist ein Geisteszustand, in dem man Kenntnis von der eigenen Existenz und der Existenz einer Umgebung hat“. Bewusstsein ist demnach mehr als Wachsein, als Aufmerksamkeit und Aktivität; denn es handelt sich um einen wandelbaren Prozess, der differiert in ein „Kernbewusstsein“ als Gespür für das persönliche Hier und Jetzt, wie auch um ein „erweitertes oder autobiographisches Bewusstsein“, das die Identität und das zukünftige Personsein einschließt. In diesem Denkprozess kommt eine weitere Variante hinzu, nämlich die Frage, wie ein bewusster Geist entsteht. Dazu bedient sich der Autor zweier Hypothesen: Zum einen die, „dass das Gehirn ein Bewusstsein konstruiert, indem es innerhalb eines wachen Geistes einen Selbst-Prozess erzeugt; zum anderen, „dass das Selbst stufenweise aufgebaut ist“. Der Zusammenbau der Argumentationsketten und der Forschungs- und Praxisbeispiele ergibt eine „Neurologie des Bewusstseins“, die mit der Methode der Kartierung aufgeschlüsselt werden in „Karten einer bestimmten Sinneswahrnehmung, die von dem jeweiligen Sinnesorgan erzeugt wurden…, zweitens Karten der Aktivität im sensorischen Portal, in dem das Sinnesorgan im Körper eingebettet ist, und drittens Karten der emotional-gefühlsmäßigen Reaktionen…“[4].

Landkarten als Sinnfindung und -stiftung

Landkarten sind Orientierungspunkte, Fixierungsmethoden, Standortbeschreibungen und Navigationsmittel, im geographischen wie im übertragenen Sinne. Wer keine örtliche und räumliche Orientierung hat, irrt auch nicht selten in seinem Selbstsein. Insofern ist das Bild der Landkarte auch für psychisch instabile Verhältnisse geeignet; nicht als Handlungsvorschrift, wie der psychologische Psychotherapeut Wolfgang Loth in seinem Vorwort zum Buch von Michael White betont; auch keine einfache Selbstvergewisserung, sondern „Hilfsmittel, um die eigene Verantwortlichkeit im Blick zu haben“. Der australische Therapeut Michael White gilt als der Mitbegründer der Narrativen Therapie, ein Konzept, das im Rahmen der Familientherapie die Fähigkeiten, Überzeugungen, Wertvorstellungen und Fertigkeiten des Menschen zum Maßstab nimmt, um Probleme und Schwierigkeiten bei der Daseinsbewältigung zu erkennen und zu heilen. Dabei wird die Lebensgeschichte des Klienten betrachtet und in einzelne Erinnerungs- und Belastungsfragmente aufgeschlüsselt und bearbeitet; immer in der dialogischen Form zwischen Therapeuten und Patienten. Denn auch die Auseinandersetzungen mit Träumen und Traumdeutungen sind ja Herausforderungen, die dazu anregen sollen,

  • die Ereignisse in seinem Leben auf neue Weise zu verstehen,
  • sich für verloren geglaubte oder verschüttete Aspekte seines Lebens zu interessieren,
  • sich für vernachlässigte Bereiche seiner Identität zu begeistern und
  • manchmal vor den eigenen Reaktionen auf ihre Nöte zu erschrecken. 

Michael Whites „Landkarten der narrativen Therapie“ sind keine Rezepte; auch keine Handlungsanweisungen für therapeutisches Handeln, sondern didaktische Skizzen, die Richtungen andeuten, Wege und Methoden aufzeigen und Anregungen zur eigenen Erstellung von Landkarten für Gesprächslinien bieten. Für den Therapeuten, der nach neuen Entwicklungen in seinem professionellem Tun sucht, sind die Landkarten vielleicht das Befüllen von „weißen Flecken“; es sind „Landkarten für Struktouren“, wie dies Wolfgang Loth charakterisiert. Für Studierende sind die Darstellung der Landkarten und die Beschreibung der Fallbeispiele Bausteine. Für den Laien, der das Buch aus Interesse oder einem sonstigen Antrieb zur Hand nimmt, kann es eine Einführung in die Geheimnisse therapeutischer Praxis sein. Dass Michael White daraus keine Geheimwissenschaft macht, ist sein besonderes Verdienst[5].

Assoziationsketten

Es ist das Unbewusste, das nicht nur Psychoanalytiker immer wieder staunen lässt, das sich in ihren überraschenden, vielfach dem Bewussten entziehenden Wendungen und Entwicklungen als wirklich und nicht selten gleichzeitig aufblitzenden Bildern von Erinnerungen, Erlebnissen und Erfahrungen darstellt, sich vermischt mit den aktuellen Realitäten, wieder versinkt, vergessen wird und möglicherweise im Traum wieder zutage tritt. Es sind Entdeckungen und Erstaunen darüber, dass „das ‚Ich‘, das auf diese Weise denkt, ( ) ein weit komplizierteres ‚Ich‘ als das bewusst denkende ‚Ich‘ (ist)“. Wir sind wieder bei Sigmund Freud und seiner Kennzeichnung angelangt, dass das Unbewusste „ Assoziationsketten“ enthalte, die sich in den von ihm erarbeiteten Theorien des Unbewussten darstellen und sich als Traumdeutungen erklären lassen. In der Psychoanalyse hat sich dabei überwiegend die Auffassung durchgesetzt, dass es darum gehe, das „verdrängte Unbewusste“ bewusst zu machen, gewissermaßen also den Konflikt „der mit sich selbst im Widerstreit liegenden Psyche“ zu lösen. Der britische Psychoanalytiker Christopher Bollas  nimmt Freud beim (anderen) Wort, indem er nicht in erster Linie seine Verdrängungstheorie betrachtet, sondern das Zusammenspiel von bewusstem und unbewusstem Denken beim Menschen mit Freuds „Theorie der Abfolge und der Aufeinanderfolge“ – die zudem, wie der Autor feststellt, von den Psychoanalytikern ignoriert werde – für seine (Begleit-)Forschungen heranzieht. Die „Logik der Aufeinanderfolge“ von Bewusstem und Unbewusstem zeigt sich darin, dass im Vor- und Nachdenken von bewusstem Handeln immer auch unbewusste Aktivitäten enthalten sind: „Diese Aspekte des unbewussten Denkens hinterlassen Spuren im Sand des Bewusstseins“. Wie kann es im psychoanalytischen Prozess gelingen, deutlich zu machen, dass „das Verdrängte, das Empfangene und das Vorbewusste lediglich unterschiedliche Formen des unbewussten Denkens darstellen“? Es ist das „freie Assoziieren“, das ein Bild ergibt; und zwar sowohl in der theoretischen Reflexion, als auch vor allem durch die psychoanalytische Praxis. Anhand von drei Fallbeispielen zeigt Bollas einen reflexiven Zusammenhang auf und macht deutlich, „dass die Logik des freien Assoziierens ein unbewusstes Denken an der Schwelle zur Bewusstwerdung ist“. In der deutschen Übersetzung wird die im englischen Original als „The Infinite Question“ bezeichnete Konzeption als „Die unendliche Frage“ benannt, was zum Ausdruck bringen soll, dass ein „grenzenloses Fragen“ mögliche therapeutische und lebensweltliche Antworten bieten kann[6].

Das Leben ist (k)ein Traum(a)

Die 1929 geborene New Yorker Psychoanalytikerin, Lehranalytikerin und Supervisorin, Vorstandsmitglied der New York Freudian Society, Mitglied der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV), Marion M. Oliner, ist Überlebende von Holocaust-Opfern. Sie, wie auch ihre Mutter und deren Vorfahren, wurden in Andernach am Rhein, ihr Vater in Merxheim bei Bad Kreuznach geboren. Sie und ihre Eltern reisten 1939 nach Belgien aus, mit dem Ziel, ein Visum für die Einreise in die USA zu bekommen. Doch nach der Annexion des Landes durch die Deutschen, 1940, war dies nicht mehr möglich. Ihr Vater wurde verhaftet und in ein Lager nach Südfrankreich gebracht. Die Restfamilie blieb in Brüssel, bis es ihrer Mutter gelang, mit Hilfe von Schleusern nach Südfrankreich zu kommen, um den Ehemann dort zu treffen. Ihre Bemühungen, über jüdische Organisationen die Auswanderung in die USA zu erreichen, führten dazu, dass die Tochter Marion Gelegenheit erhielt, mit einem der Kindertransporte in die Schweiz gebracht zu werden und von dort in die USA zu gelangen. Sie wurde amerikanische Staatsbürgerin, studierte, heiratete und bekam zwei Kinder. Ihre Eltern wurden 1942 in das Konzentrationslager in Auschwitz gebracht und dort ermordet. Es ist die Suche nach den Realitäten, die mehr sein sollten als eine Anpassung an sich real anfühlende Wirklichkeiten, die bei Opfern und ihren Nachkommen die Fragen laut werden lassen, wie die Shoa möglich sein konnte und wie man mit dem Land, in dem dies geschah und den Menschen, die den Holocaust zuließen, umgehen solle[7]. Als ihre 16-jährige Tochter über ihre familiäre Herkunft intensiver nachfragte, unternahm Marion mit ihr 1976 das erste Mal eine Reise zu ihrem Geburtsort, dem des Vaters und denen der Mutter, Großeltern und Verwandten in Deutschland. In zwei Prologen arbeitet Marion M. Oliner ihre eigenen Erlebnisse und frühen, individuellen und familialen, traumatischen Erfahrungen heraus und bringt sie in Beziehung zu ihrer Profession. Sie reflektiert, immer mit ihren individuellen Erfahrungen im Hintergrund, die verschiedenen Erinnerungen, Einflüsse und Wunden bei der Entwicklung der Wahrnehmungsidentität, die gespickt ist mit Vergessenszwängen und mächtigen Leerstellen. Das Trauma, als durch äußere, gewaltsame oder nicht kontrollierbare und nicht zu verhindernde seelische Verletzung, gehört in der Psychopathologie, -analyse und -therapie zu den wichtigen, komplexen Behandlungsanlässen. Dabei kommt es darauf an, analytische Unterscheidungen vorzunehmen zwischen „den Ereignissen der äußeren Realität und ihren Folgen“. Es sind Formen der sich verstärkenden unbewussten Omnipotenz, die Traumata hervorrufen und, besonders bei der Behandlung von Überlebenden, entweder zu erfolgreichen oder auch erfolglosen Behandlungen führen können. Weil die subjektive Erfahrung eines Traumas auf dem Erinnern beruht, werden Bewältigungsmodelle und -methoden mit den vielfältig auftretenden, realen, gewordenen und gemachten Erfahrungen konfrontiert. Es sind die nicht selten zwanghaften, unbewussten Bestrebungen von Angenommensein, Integration und Verweigerung und Trennung, die besonders bei Traumata von Überlebenden erkennbar werden. In der psychoanalytischen Theorie der äußeren Realität zeigt sich die Tendenz, wenn nicht gar das Zwanghafte, die Ereignisse und Erscheinungsformen als „Bedrohung der Integrität des Individuums“ wahrzunehmen; ein Ausweg daraus wird gesucht, indem das Objekt mit seiner „nie erlahmenden Aktivität der unbewussten Phantasie“ in den Mittelpunkt gestellt wird. Ohne dass die Autorin die eine Version bevorzugt oder die andere ablehnt, kommt sie zu der Beobachtung, dass „eine der am häufigsten begegnenden Unzulänglichkeiten der ursprünglichen Theorie sowie der Theorien, die als Korrektiv aufgeboten wurden, ( ) die übertriebene Konzentration des Prozesses auf die psychische Realität (kursiv, JS) zu Lasten der Suche nach dem angemessenen Platz der äußeren Welt und ihres Einflusses auf das Individuum und die analytische Beziehung (ist)“. Der Tenor der Ich-Erzählungen, Ich- und Fremd-Analysen, wie sie von Marion M. Oliner in ihren theoretischen Darstellungen und Praxisberichten zum Ausdruck kommen, beruhen auf der an Freud und Lacan orientierten Flexibilität bei der Auseinandersetzung mit Traumata[8].

Die Bedeutung unbewusster Prozesse herausarbeiten und verstehen

Mit dem am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PsychThG, Psychotherapeutengesetz) wird in Deutschland die Ausübung der Psychotherapie durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten geregelt. Damit wird der ärztliche Beruf in dieser Sparte anerkannt und herausgefordert, „den Nachweis des Nutzens, der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Behandlungen zu erbringen, um weiterhin berufs- und sozialrechtlich anerkennungsfähig zu sein und damit die Teilnahme an der Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) zu erhalten“. Die in den genannten Berufen Tätigen werden unter anderem von der „Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (VAKJP) vertreten. In verschiedenen wissenschaftlichen Zentren in Deutschland werden Grundlagenforschung und therapeutische Behandlungsmethoden entwickelt, erprobt und angewandt. In Norddeutschland arbeitet die Forschungsabteilung der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf daran mit. Im Zeitraum vom September 2007 bis Mai 2010 haben Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Theorie und Praxis eine Studie für ambulante, analytische kinder- und jugendlichentherapeutische Behandlungen von Angst und Depression erstellt. Daraus ist das nun vorgelegte Manual entstanden, das von der Psychologin, Psychotherapeutin mit eigener Praxis, Anette Baumeister-Duru, dem Sozialpädagogen und analytischen Kinder-, Jugendlichentherapeuten und Supervisor Helmut Hofmann, der Psychotherapeutin Helene Timmermann und der Psychologin Andrea Wolf erstellt wurde. Die Autorinnen und Autoren arbeiten in der „Hamburger Arbeitsgruppe zur Forschung und Praxis der analytischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“ zusammen. Weil eine pädagogische und psychologische Zusammenarbeit auch bei den schulischen und außerschulischen Bildungs- und Erziehungsherausforderungen unablässig ist und dabei die Beratungs- und Therapieaufgaben eine besondere Rolle spielen, sind Vernetzung und Dialog der fachlichen Kompetenzen in der erziehungswissenschaftlichen Theorie und Praxis gefordert[9].  Der Erfahrungsbericht der Hamburger Studientherapeuten kann dazu beitragen, auf die vielfältigen wortlosen Stimmen des eigenen Körpers zu hören[10].

Fazit

Kooperationen auf Augenhöhe und ausgestattet mit den professionellen und existenziellen Kompetenzen und Erfahrungen sind erforderlich, um den lokalen und globalen Herausforderungen in der sich immer interdependenter, entgrenzender, individualisierender und kollektiver entwickelnden Einen Welt gerecht werden zu können. Es sind pädagogische und psychologische Anforderungen, die das Streben nach einem guten, gelingenden Leben für alle Menschen auf der Erde befördern können. Sich dabei nicht im Träumen verlieren, sondern die bewussten und unbewussten Visionen zu leben versuchen, das sind Ansprüche an den Intellekt des Menschen[11]. Und es sind Aufgaben, die jeder Mensch, individuell und kollektiv, privat und beruflich zu leisten vermag[12].

Dr. Jos Schnurer


[1] C. Oser-Grote, in: Otfried Höffe, Hrsg., Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, S. 183f
[2]
Elsie Sechrist, Das große Traumbuch. Praktische Anleitung zur Trauminterpretation, 1992, S. 20
[3]
Wolfgang Welsch, Homo mundanus. Jenseits der anthropischen Denkform der Moderne, 2012, https://www.socialnet.de/rezensionen/14323.php
[4]
Antonio Damasio, Selbst ist der Mensch. Körper, Geist und die Entstehung des menschlichen Bewusstseins, 2011, https://www.socialnet.de/rezensionen/13124.php
[5]
Michael White, Landkarten der narrativen Therapie, 2010, https://www.socialnet.de/rezensionen/9746.php
[6]
Christopher Bollas, Die unendliche Frage. Zur Bedeutung des freien Assoziierens, 2011, https://www.socialnet.de/rezensionen/11514.php
[7]
Andrea Treuenfeld, Zurück in das Land, das uns töten wollte. Jüdische Remigrantinnen erzählen ihr Leben, 2015, www.socialnet.de/rezensionen/17994.php; Ursula Mahlendorf, Führers begeisterte Töchter. Wie Mädchen die Hitlerzeit erlebt und später verharmlost haben. Eine amerikanische Intellektuelle über (ihre) NS-Kindheit, 2014, www.socialnet.de/rezensionen/16998.php
[8]
Marion Oliner, Psychische Realität im Kontext. Reflexionen über Trauma, psychoanalyse und die persönliche Geschichte,  2014, https://www.socialnet.de/rezensionen/16285.php
[9]
Peter A. Levine, Sprache ohne Worte. Wie unser Körper Trauma verarbeitet und uns in die innere Balance zurückführt, 2011, www.socialnet.de/rezensionen/11727.php; sowie: Peter Mortola, Einführung in die Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen. Das Praxisbuch zum Violet-Oaklander-Training, 2011, www.socialnet.de/rezensionen/12611.php; und: Boris Traue, Das Subjekt der Beratung. Zur Soziologie einer Psycho-Technik, 2010, www.socialnet.de/rezensionen/10379.php
[10]
Anette Baumeister-Duru / Helmut Hofmann / Helene Timmermann / Andrea Wulf, Psychoanalytische Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Angststörungen und Depressionen. Behandlungsmanual, 2013, https://www.socialnet.de/rezensionen/14803.php
[11] Hans-Willi Weis, Der Intellektuelle als Yogi, 2015, https://www.socialnet.de/rezensionen/19886.php
[12]
Jos Schnurer, Wer philosophiert – lebt!, 28. 1. 2014,  https://www.socialnet.de/materialien/174.php; sowie: „Wirklichkeit“, 4. 11. 2014, https://www.sozial.de/ <Schnurers Beiträge>