Transparency stellt Globalen Korruptionsbericht 2013 vor: Integrität von Wissenschaft und Forschung müssen gesichert werden

Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland hat am 01.10.2013 in Berlin den Globalen Korruptionsbericht zum Schwerpunktthema „Bildungswesen“ vorgestellt. Der Bericht umfasst über 70 Berichte zur Schul- und Hochschulbildung aus 50 Ländern. Sie befassen sich mit einem breiten Spektrum von Themen, unter anderem mit Korruption in Aufnahmeverfahren und der Vergabe von Zensuren, Nepotismus unter Lehrern und Professoren sowie illegitimer Einflussnahme auf Forschung und Wissenschaft. Auch in Deutschland besteht nach den Plagiatsfällen prominenter Persönlichkeiten Handlungsbedarf. Sie haben das Vertrauen in die Integrität der Verleihung von Doktortiteln geschwächt. Korruption stellt in vielen Ländern ein Hindernis für den Zugang zu Bildung dar, so dass vielen Menschen ein wichtiges Menschenrecht verwehrt bleibt. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass das Bildungswesen vor allem in den Ländern korruptionsanfällig ist, in denen der Rechtsstaat sowie Transparenz- und Rechenschaftsmechanismen schwach ausgebildet sind. Gleichzeitig spielt das Bildungswesen eine zentrale Rolle in der Vermittlung von Werten und kann somit korruptive Strukturen verfestigen oder aufbrechen.

Korruptionsbekämpfung muss stärker in deutsche Lehrpläne integriert werden

Das deutsche Bildungswesen gilt als wenig korruptionsanfällig. In der Bevölkerungsumfrage des Korruptionsbarometers 2013 von Transparency International schneidet das Bildungswesen auf einer Skala von eins (überhaupt nicht korrupt) bis fünf (höchst korrupt) mit 2,7 Punkten besonders gut ab. Nur die Justiz erreicht einen besseren Punktwert (2,6). Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland: „Wer Korruption in der Schule oder Hochschule als selbstverständlich erlebt, wird sie auch im späteren Leben nicht anprangern. Wir müssen daher alles dafür tun, dass das deutsche Bildungswesen auch zukünftig wenig korruptionsanfällig bleibt. Wichtig ist es auch, Integrität und Korruptionsbekämpfung noch viel stärker in den Lehrplan von Schulen und Hochschulen zu integrieren.“ Transparency Deutschland bietet Vorträge an Schulen und Hochschulen an. Die ehrenamtlichen Strukturen der Organisation können jedoch bei Weitem kein flächendeckendes Angebot bieten.

Betrug beim Erwerb von Doktortiteln

Trotz des guten Gesamtbildes des deutschen Bildungswesens greift der Globale Korruptionsbericht einen Schwachpunkt heraus: Die Anfälligkeit für Betrug beim Erwerb von Doktortiteln. So wurden Professoren von dem inzwischen insolventen „Institut für Wissenschaftsberatung“, einem sogenannten Promotionsberater, für die Betreuung von Doktorarbeiten bezahlt und prominenten Politikern wurde der Doktortitel aufgrund von Plagiatsvorwürfen entzogen. Diskussionen löste auch die Verleihung des Ehrendoktortitels an Carsten Maschmeyer, ehemaliger Vorsitzender des Finanzdienstleisters AWD, durch die Universität Hildesheim aus.  Er hatte zuvor 500.000 Euro an die Universität Hildesheim gespendet. Absprachen zwischen Maschmeyer und der Universität konnten nicht nachgewiesen werden. Sebastian Wolf von der Universität Konstanz und Mitglied des Wissenschaftlichen Arbeitskreises von Transparency Deutschland leitet in seinem Beitrag im Globalen Korruptionsbericht 2013 eine Reihe von Empfehlungen ab.
  • ein Verbot von Promotionsberatern, die den Kontakt zu Professoren und Fakultäten herstellen, Forschungskonzepte erarbeiten, Literaturrecherchen durchführen und weitere Dienstleistungen für Promovierende anbieten,
  • Maßnahmen zur Abschwächung des Abhängigkeitsverhältnisses der Promovierenden von ihrem Betreuer oder ihrer Betreuerin, um Missbrauchsmöglichkeiten einzuschränken und eine unabhängigere Bewertung zu ermöglichen und
  • dass die Verleihung von Ehrendoktortiteln nicht im Zusammenhang mit Spenden- oder Sponsoringaktivitäten der Hochschule stehen darf.

Klare Regeln für die Kooperation von Unternehmen und Wissenschaft

Darüber hinaus untersucht Transparency Deutschland aktuell, wie es um die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre an deutschen Hochschulen steht. Auf dem Onlineportal „Hochschulwatch. MachtWirtschaftUni" sammelt Transparency Deutschland Beispiele fragwürdiger Einflussnahme an Hochschulen. Das Portal wurde gemeinsam mit der tageszeitung und der fzs (freier zusammenschluss von studentInnenschaften) im Januar 2013 ins Leben gerufen. Eine Auswertung soll im Frühjahr 2014 folgen. „Wir haben den Eindruck, dass die Unabhängigkeit der Wissenschaft zunehmend dem Primat ökonomischer Nützlichkeit und wirtschaftlicher Verwertungsinteressen geopfert wird. Wir brauchen eine öffentliche Auseinandersetzung über Transparenz und Regulierung der Finanzierung von Forschung und Lehre. Es muss klar sein, dass Geldgeber keinen Einfluss auf das Forschungsdesign oder gar die Personalauswahl nehmen dürfen und Forschungsergebnisse nicht zurückgehalten werden dürfen“, so Edda Müller.

Verhaltenskodizes und rechtliche Rahmenbedingungen müssen ausgedehnt werden

Der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft hat auf den zunehmenden Trend der Ökonomisierung der Wissenschaft beispielsweise mit der Verabschiedung eines „Code of Conduct“ reagiert. Er schreibt unter anderem vor, dass Geldgeber keinen Einfluss auf Forschung, Lehre und Veröffentlichung der Forschungsergebnisse nehmen dürfen und dass der Förderer keinen Anspruch auf die Verwertung der Ergebnisse hat. Transparency Deutschland fordert darüber hinaus, dass alle Landesinformationsfreiheitsgesetze den Rechtsanspruch auf Herausgabe von Verträgen zwischen öffentlich-rechtlichen Universitäten und Unternehmen anerkennen. Auch die Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes und der Länder fordern in einem Entschluss vom 12. Juni 2012, dass Kooperationsverträge zwischen Wissenschaft und Unternehmen grundsätzlich offenzulegen sind. Die Veröffentlichungspflicht sollte mindestens die Identität der Drittmittelgeber, die Laufzeit der Projekte, den Förderumfang und die Einflussmöglichkeiten der Drittmittelgeber auf Forschungsziele und -ergebnisse umfassen. Aktuell wehren sich die Universität zu Köln und die Bayer AG noch erfolgreich gegen die Veröffentlichung ihres Kooperationsvertrags, weil das Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht für den Bereich Forschung, Wissenschaft und Lehre gilt. Schließlich fordert Transparency Deutschland, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Einwerbung von Drittmitteln in allen Bundesländern umgesetzt wird. Nach dem BGH-Urteil vom 23. Mai 2002 (1 StR 372/01) muss die Einwerbung von Drittmitteln dem Trennungsprinzip (von Beschaffungen), Dokumentationsprinzip, Transparenzprinzip (gegenüber der Dienststelle), Genehmigungsprinzip sowie Äquivalenzprinzip folgen. In den landesrechtlichen Vorschriften von Rheinland Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg wurde die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits umgesetzt.

Quelle: Pressemitteilung des Transparency International Deutschland e.V. vom 01.10.2013
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