Schafft das aktuelle Vergütungssystem im Betreuungsrecht falsche Anreize?

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) will das bewährte System der rechtlichen Betreuung in Deutschland bewahren und so modernisieren, dass die Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonvention in der Praxis auch umgesetzt werden. „Jede künftige Fortentwicklung des Betreuungsrechts in Deutschland muss auf das Ziel ausgerichtet sein, die konsequente Orientierung an Wunsch und Willen der Betreuten und am Erforderlichkeitsgrundsatz sicherzustellen“, das kündigte die BMJV-Referatsleiterin Betreuungsrecht, Annette Schnellenbach, auf dem 16. Berliner Forum zum Betreuungsrecht. Dazu hat das BMJV zwei rechtstatsächliche Untersuchungen auf den Weg gebracht. Es soll untersucht werden, was eine qualitätsvolle Betreuungspraxis ermöglicht und braucht, damit Betreute ein selbstbestimmtes Leben führen können und ihnen gleichzeitig der erforderliche Schutz im Rechtsverkehr zukommt. Der Teil der Studie zur Qualität der rechtlichen Betreuung, der der quantitativen Evaluierung des Vergütungssystems (Zeitbudgetforschung, Einkommensentwicklung) dient, werde prioritär behandelt, so Schnellenbach in Berlin, „denn bisher fehlt es an den notwendigen empirischen Erkenntnissen zur Vergütung. Wir untersuchen, ob die pauschale Vergütung, wie sie 2005 festgeschrieben wurde, die richtigen Anreize für eine Betreuung setzt, die das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen hinreichend achtet.“ Die umfangreichen Online-Befragungen von Berufsbetreuer/innen mittels Fragebogen seien nun abgeschlossen, die Ergebnisse seien bis Ende November dem Ministerium vorzulegen und der Beirat des BMJV werde sich dann Mitte Dezember damit befassen. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Berufsbetreuerinnen und Betreuer (BdB), Thorsten Becker, forderte auf der Fachtagung die Professionalisierung von Betreuung: „Wir leisten unter schwierigen Bedingungen gute Arbeit. In Anbetracht der hohen Verantwortung, die Berufsbetreuerinnen und -betreuer innehaben, ist es geboten, dass der Beruf endlich anerkannt wird. Wir brauchen eine geregelte Ausbildung, verbindliche – also haftungsrelevante – Standards und Leitlinien sowie eine sachkundige Berufsaufsicht“, so Becker. Qualitätsvolle Betreuung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention sei ein Unterstützungsprozess zur Gewährleistung der Rechts- und Handlungsfähigkeit, dessen Kern Menschenwürde und Selbstbestimmung bilden. „Unser Leitbild ist es, unterstützend zu handeln und gemeinsam mit den Klienten Entscheidungen zu treffen. Wenn wir stellvertretend agieren, dann nur im Auftrag des Klienten oder zu dessen Schutz vor Selbstschädigung. Dieser Unterstützungsprozess kostet Zeit. Zeit, die wir mit durchschnittlich 3,1 Stunden pro Klient und Monat nicht zu Verfügung haben. So schafft das aktuelle Vergütungssystem die falschen Anreize. Ich bin optimistisch, dass die Studie des BMJV dies belegen wird.“

Quelle: BdB-Presseinformation am 14. Oktober 2016