Regiert das Zufallsprinzip? Studie zur Effizienz der Sozialen Wohnbauförderung

In der laufenden Legislaturperiode werden mehr als fünf Milliarden Euro Bundesmittel für die soziale Wohnbauförderung zur Verfügung gestellt. Doch dieser Betrag kann in Deutschland nicht effizient und bedarfsgerecht verteilt werden. Hauptgrund ist eine fehlende oder mangelhafte Daten- und Bedarfserhebung. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Modes Mendelssohn Instituts.

Das Institut hat an 696 Städte und Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern und positiver Bevölkerungsentwicklung Fragen zu den geförderten Wohnungen gestellt. Thema dabei waren der aktuelle Bestand, der Bau und die Planung neuer Wohnungen sowie der künftige Bedarf – verteilt auf die unterschiedlichen Wohnungsgrößen. Ermittelt wurde auch, wie viele Einheiten bis 2020 aus der Preis- bzw. Belegungsbindung fallen.

Ausgewertet werden konnten Angaben von 387 Kommunen. „Die Antworten zeigten, dass in Deutschland die Gelder für gefördertes Wohnen eher nach dem Zufallsprinzip verteilt werden. Es gibt keine einheitlichen Kriterien für die Förderung, noch nicht mal eine einheitliche Zählweise. Viele Städte und Gemeinden haben sogar Probleme, ihren Bedarf plausibel darzustellen und die in ihrer Kommune benötigten Wohnungsgrößen zu nennen", sagt Dr. Stefan Brauckmann, Direktor des Moses Mendelssohn Instituts: „Aus diesem Grund ist ein effizienter Einsatz der Milliarden-Förderung gar nicht möglich." Das werde sich kurzfristig auch nicht durch weiter steigende Zuwendungen durch Bundesländer und Kommunen ändern, die geplant oder aufgrund der politischen Diskussion zu erwarten sind.

Effizienz muss zentrales Kritierium des Mitteleinsatzes sein

Der effiziente Einsatz der finanziellen Mittel muss aber laut der Untersuchung des Moses Mendelssohn Instituts ein zentrales Kriterium sein. Denn trotz der deutlichen Ausweitung der Zuwendungen sind die für diesen Zweck verfügbaren Beträge in Relation zum vielerorts riesigen Bedarf an preisgünstigen und passenden Wohnungen begrenzt. In den Großstädten beispielsweise hat bis zur Hälfte der Haushalte aktuell Anspruch auf staatliche Unterstützung, während der Bestand der geförderten Wohnungen in den vergangenen Jahren deutlich gesunken ist, bundesweit um mindestens eine Million Wohnungen seit 2003. Um den Bedarf zu decken, hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag eine „Wohnraumoffensive" angekündigt. Innerhalb der Legislaturperiode sollen 1,5 Millionen neue Mietwohnungen und Eigenheime entstehen.

Mehr Unterstützung für Kommunen - kein Verlust von Verantwortlichkeit 

Der Bund gibt Milliarden für die Fertigstellung geförderter Wohnungen. Zuständig für die Ausgestaltung der Förderprogramme sind jedoch die Bundesländer. Diese wiederum benötigen dafür eine fundierte Bedarfsermittlung auf Grundlage einheitlich erhobener Kennzahlen. Für die Einschätzung des lokalen Bedarfes sowie die Unterstützung der Bauprojekte vor Ort sind grundsätzlich die Städte und Kommunen im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung zuständig.

„Wir wollten untersuchen", so Dr. Stefan Brauckmann, „wie und auf welcher Grundlage die Kommunen ihre Bedarfe einschätzen und ob daraus systematisch Maßnahmen abgeleitet werden können". Zwar waren die Städte und Gemeinden insgesamt sehr kooperativ, sie lieferten die Antworten aber in einem sehr unterschiedlichen Detaillierungsgrad. Teilweise konnten auch gar keine Angaben gemacht werden. Grund hierfür sind unterschiedliche Definitionen, unklare Zuständigkeitsregelungen oder viel zu geringe personelle Ressourcen in diesem wichtigen Bereich. Brauckmann: „In diesem System werden die Kommunen quasi alleine gelassen. Um eine höhere Effizienz zu erreichen, sind vor allem konkrete Erfassungs- und Auswertungs-Vorgaben für eine einheitliche Datengrundlage notwendig, ebenso eine bessere personelle Ausstattung und laufende Fortbildungen." Hinzukommen muss eine bessere Vernetzung der unterschiedlichen Akteure für einen deutschlandweiten Informationsaustausch. Brauckmann: „Eine überregionale Ausweitung erfolgreicher Förder-Beispiele ist bei der bisherigen Struktur kaum möglich, erst recht nicht bundesländerübergreifend."

Hintergrund

Die Befragung wurde ausschließlich aus Eigenmitteln finanziert. Befragt wurden 696 Städte und Gemeinden, welche über eine Bevölkerung von mindestens 20.000 Personen verfügen und die kumuliert im Zeitraum 2011 bis 2015 ein positives Wanderungssaldo zu verzeichnen hatten. Ziel der Befragung war es einen Überblick über den aktuellen Datenbestand sowie die unterschiedlichen kommunalen Vorgehensweisen und Lageeinschätzungen zu bekommen.

Hierfür wurden die selektierten Städte und Gemeinden telefonisch kontaktiert und danach auf Wunsch auf elektronischem Wege angeschrieben. Die halbstandardisierten Fragen zu Bestand, Bindungsauslauf, Neubau und Bedarfseinschätzung konnten entweder mündlich oder schriftlich beantwortet werden. Der Befragungszeitraum erstreckte sich von Mai bis Juli 2018. Eingehende Antworten konnten noch bis zum 17. September 2018 berücksichtigt werden. Insgesamt konnten Daten von 383 Städten und Kommunen ausgewertet werden.


Quelle: Pressemeldung des Moses Mendelssohn Institut (MMI) vom 8. Oktober 2018