Dorothee Scheurlen (Unfallkrankenhaus Berlin)

Peers im Krankenhaus - eine einfache Idee wird ausgezeichnet

Die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) hat die Kurt-Alphons-Jochheim-Medaille in diesem Jahr an ein Berliner Projekt verliehen, das mit einer einfachen Idee große Wirkungen erzielt hat. Menschen, die von einer Amputation betroffen sind, erhalten von Menschen mit gleichen Erfahrungen Beratung und Unterstützung.

Seit 2010 bietet das Unfallkrankenhaus Berlin bei Amputationen regelhaft ein Peer Counseling an, d. h. die Beratung von Patientinnen und Patienten durch selbst Betroffene, sogenannte Peers (englisch für Gleichgestellte). Denn der Verlust eines Körperteils ist ein traumatisches Ereignis für die Betroffenen, bei dessen Auswirkungen auf Psyche und Alltag auch Ärzte und Therapeuten an ihre Grenzen stoßen.

„Die Rolle von Peers im Krankenhaus ist, dass sie als selbst Betroffene, die eine Amputation, die folgende Rehabilitation und Prothesenversorgung mit all ihren Anforderungen und Mühen selbst erfahren und bewältigt haben, Patienten bei einer bevorstehenden Amputation auf Augenhöhe begegnen, zuhören, Mut machen und Rat geben“, erläuterte Prof. Dr. Bernhard Greitemann, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der DVfR und ärztlicher Direktor der Münsterland Klinik, in seiner Laudatio. Greitemann betonte den Vorbildcharakter der Peers, die aus eigenem Erleben den Betroffenen Bewältigungsstrategien nahebringen und authentisch vermitteln können, dass es sich lohnt, eigene Teilhabeziele anzugehen und die Anstrengungen der Rehabilitation dafür auf sich zu nehmen. Das Peer Counseling trage damit erheblich dazu bei, Ängste abzubauen, an der Rehabilitation aktiv mitzuwirken und Teilhabechancen zu eröffnen. Entsprechend positiv sei auch das Feedback der zuvor durch Peers betreuten Patientinnen und Patienten bei einer Befragung im Jahr 2016 ausgefallen.

„Der Vorstand der DVfR ist überzeugt, mit Peers im Krankenhaus ein richtungsweisendes Angebot in der Rehabilitation auszeichnen zu können, das auch für andere Kliniken und Bereiche Modellcharakter hat“, betonte Greitemann. Das Erfahrungswissen über gelingende Peerberatung wird durch das UKB im Rahmen von Schulungen und Peer-Fortbildungen weitergegeben. In diesem Monat findet am UKB bereits die 6. Peer-Fortbildung statt. Zudem stellt der BMAB eine Peer-Landkarte zur Verfügung. „In der Zwischenzeit findet die Initiative weitere Nachahmer bzw. aktive Mitstreiter, nicht nur im Bereich der BG-Unfallkliniken. So werden Peer-Beratungen auch an einigen der großen orthopädischen Tumorzentren, so in Münster und in Heidelberg, angeboten und kommen den Patienten zugute“, so Greitemann.

Die Idee, das Projekt Peers am Unfallkrankenhaus Berlin der DGUV zu einer bundesweiten Initiative auszuweiten, hatte 2013 Dr. Eckart von Hirschhausen, der auch Schirmherr der Initiative ist. Er gratulierte zur Auszeichnung per Video-Grußbotschaft. Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, Chef des Unfallkrankenhauses Berlin, hob das große Engagement der am UKB tätigen Initiatorinnen – Dr. Melissa Beirau, die inzwischen verstorbene Dr. Insa Matthes und die Peer-Beraterin Dagmar Marth – hervor und brachte seinen Stolz auf das gesamte Team sowie seinen Dank für die Auszeichnung zum Ausdruck.

Mit der Kurt-Alphons-Jochheim-Medaille ehrt die DVfR seit 2011 Initiativen, die in herausragender Weise die individuelle und umfassende Rehabilitation behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen fördern und zu deren Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft beitragen. Namensgeber der Medaille ist der 2013 verstorbene Pionier der Neurorehabilitation in Deutschland: Prof. Dr. Kurt-Alphons Jochheim.


Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation vom 25.11.2019