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Organspende: Widerspruchslösung als Angriff auf Selbstbestimmungsrecht?

Der Bundestag stimmt heute über die sogenannte Widerspruchslösung ab. Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL) warnt vor einem Verlust des Selbstbestimmungsrechts. Denn ungeklärt bleibt die Frage, wie man mit Menschen umgehen will, die ihren freien Willen nicht selbst bekunden können.

Seit Jahren beklagen Mediziner*innen, dass es in Deutschland an Spenderorganen fehlt, die schwerstkranken oder verunfallten Menschen das Leben retten könnten. Denn anders als in vielen anderen Ländern bedarf es in Deutschland der expliziten Zustimmung, ob nach dem Tod Organe entnommen und transplantiert werden dürfen. Trotz intensiver Bemühungen und sichtbarer Kampagnen hat sich die Anzahl der Spender*innen in den letzten Jahren nicht in dem Maße erhöht, wie dies für eine gute Versorgung notwendig wäre. Der Organspendeskandal Anfang des vergangenen Jahrzehnts tat sein übriges. Die Folge: Deutschland steht bzgl. der Organspendebereitschaft im internationalen Vergleich allenfalls im unteren Mittelfeld.

Prinzipiell stehen sich zwei Positionen gegenüber: Auf der einen Seite steht die sogenannte Zustimmungslösung, wie sie derzeit in Deutschland praktiziert wird. Mittels eines Organspendeausweises, den man bei seiner Krankenkasse, Gesundheitsbehörden oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bestellen kann, oder anderer rechtswirksamer Dokumente bekunden Menschen zu Lebzeiten, dass sie im Todesfall spendebereit sind. Liegt ein solches Dokument nicht vor, ist eine Organentnahme ausgeschlossen. Auf der anderen Seite gibt es die sogenannte Widerspruchslösung, wie sie von der Mehrheit der EU-Staaten mehrheitlich angewendet wird. Das Prinzip hier: Wer nicht widerspricht, ist Spender*in. Genau diesen Grundsatz möchte die große Koalition nun auch für Deutschland einführen, womit man das Problem des Mangels an Organspenden tatsächlich angehen würde. Schließlich ist statistisch nachweisbar, dass in den Ländern, in denen die Zustimmungsregelung gilt, wie aktuell in der Bundesrepublik, die Spendequote z.T. drastisch unter jener der Länder liegt, in denen die Widerspruchslösung wirksam ist.

Doch wirft auch die Widerspruchslösung Probleme und schwierige ethische Fragen auf. Deutlich macht dies u.a. Alexander Ahrens von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL). Denn Menschen, die aufgrund körperlicher oder kognitiver Einschränkungen nicht in der Lage sind ihren Willen kundzugeben, könnten ihren Widerspruch gegen eine mögiche Organspende überhaupt nicht äußern. Ahrens fordert daher, dass Menschen, auf die dies zutrifft, von der Widerspruchslösung ausgenommen werden. Auch dass andere für sie entscheiden, hält die ISL für inakzeptabel. Elisabeth Adam, Sprecherin der ISL für bioethischen Fragen, erklärt hierzu:„Fremdbestimmung ist das falsche Signal. Außerdem ist nicht sichergestellt, dass die betroffenen Menschen vollumfänglich über die Widerspruchslösung aufgeklärt werden."

Aus Sicht der ISL dürfe es nicht zu einer 'Standardlösung' kommen, um eine höchstmögliche Spender*innenquote zu erreichen. Vielmehr sei weiterhin viel Aufklärungs- und Informationsarbeit notwendig, um allen Menschen eine möglichst freie und selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen.