Mädchensozialarbeit: dringend, zwingend, notwendig!

Die BAG Evangelische Jugendsozialarbeit zum Internationalen Mädchentag am 11.10.2013

„Die statistischen Zahlen zur Armut von Mädchen und Jungen haben sich immer weiter angeglichen. Dies verwundert nicht, solange Jugendliche in Bedarfsgemeinschaften leben und ihre materiellen Ressourcen darüber abgebildet werden“, sagt Christiane Giersen (Vorsitzende des Fachbeirates Mädchensozialarbeit der BAG EJSA). „Unterschiede werden allerdings deutlich, wenn man die Lebenssituationen genauer betrachtet. Faktisch wissen wir zu wenig über die Verteilung der finanziellen Ressourcen innerhalb der Bedarfsgemeinschaften.“ Sie könne gerade für Mädchen große Benachteiligungen beinhalten. Auch fielen die vielen jungen allein erziehenden Mütter auf, die überproportional im Hartz-IV-Bezug leben, so Giersen. Weitere benachteiligende Aspekte im Leben von Mädchen und jungen Frauen werden wenig beleuchtet: So zum Beispiel die Tatsache, dass sie auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nach wie vor oft schlechtere Chancen haben, insbesondere wenn es darum geht, Zugang zu gut bezahlten Arbeitsplätzen zu erhalten. Oder die Einschränkungen und Notlagen, die aufgrund von sexualisierter Gewalt entstehen. Hinweise genug, um anlässlich des internationalen Mädchentags (siehe auch www.biaag.de) auf die Lebenssituation von Mädchen in Deutschland und ihre Notlagen und Belange aufmerksam zu machen. Dazu hat sich die BAG EJSA einer Aktion der BAG Mädchenpolitik angeschlossen. Mit einer Fahne als sichtbares Zeichen will sie Eltern, Fachkräfte, PolitikerInnen und die Öffentlichkeit insgesamt dazu anregen, sich mit der Lebenssituation von Mädchen in Deutschland zu befassen. Zum Beispiel Susanna L. Ihre aus Italien kommende Familie lebt seit 25 Jahren in Deutschland. Sie ist das zweite von vier Kindern, ein älterer Bruder, zwei jüngere Schwestern. Außer ihr spricht in der Familie niemand fließend Deutsch. Sie bekommt von Anfang an ein hohes Pflichtgefühl gegenüber der Familie vermittelt. Ihre Mutter geht putzen. Bereits ab dem elften Lebensjahr wird Susanna in alle anfallenden Aufgaben zu Hause eingebunden. Ihre Hausaufgaben stehen zunehmend hinter den Pflichten zu Hause zurück. Sie hat keine Zeit zum Lernen, keine Zeit für die Entwicklung eigener Fähigkeiten außerhalb von Kinderbetreuung und Haushalt. Während der zwei Schwangerschaften der Mutter übernimmt Susanna neben dem Haushalt noch die beiden Putz-Jobs der Mutter. Ihr großer Bruder ist arbeitslos, lebt zu Hause. Außer gelegentlicher Hausaufgabenbetreuung bleibt Susanna für andere Angebote im Mädchentreff keine Zeit, Freizeitaktivitäten und Ferienprogramm sind nicht möglich. Nach der Schule durchläuft sie einen höchst schwierigen Weg der Ausbildung, macht viele Praktika und Qualifizierungsmaßnamen. Ihre Familie nimmt keine Rücksicht auf Prüfungen oder Ausbildungszeiten. Wenn bei Behörden, Ämtern, Banken etc. Termine anstehen, muss sie grundsätzlich mit – egal zu welcher Uhrzeit. Susanna hat heute keinen qualifizierten Berufsabschluss, darf nicht zu Hause ausziehen und ein eigenes Leben führen. (aus: BAG EJSA: JugendARMUT? NEIN danke!, Themenheft 1/2010). Viele Mädchen und junge Frauen aus den verschiedensten Kulturen und mit den verschiedensten Hintergründen, können solche oder ähnliche Geschichten erzählen.  Manchmal sind ihre Notlagen gut sichtbar, oftmals aber auch sehr subtil, deshalb sind mädchenspezifische Förderansätze und Angebote in der Jugendsozialarbeit, die den jeweiligen Lebenssituationen gerecht werden, unabdingbar notwendig! Nach wie vor muss in Deutschland noch viel dafür getan werden, um dem Kinder- und Jugendhilfegesetz gerecht zu werden, das fordert: „… die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen zu fördern.“ (§ 9 Abs.3 KJHG) Mädchensozialarbeit ist gefragt!

Quelle: Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e.V. (BAG EJSA) vom 11.10.2013