LWL-Museum zeigt Geschichte und Kultur sexueller Identitäten

In einer Ausstellung widmet sich das LWL-Museum für Kunst und Kultur den Menschen, die gleichgeschlechtlich begehren oder non-konforme Geschlechtsidentitäten haben. „Es geht nicht um eine 'Schwulen-Ausstellung‘, sondern um Frauen liebende Frauen, um Männer liebende Männer und um die vielen Variationen von Geschlecht, die es zwischen männlich und weiblich gibt", sagt Matthias Löb, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Die Ausstellung ist ein Projekt des Schwulen Museums* Berlin in Kooperation mit dem LWL-Museum in Münster und dem Deutschen Historischen Museum Berlin. Sie wird gemeinsam gefördert von der Kulturstiftung des Bundes und der Kulturstiftung der Länder.

Anhand von rund 800 Exponaten will das Museum die Besucherinnen und Besucher mit dem eigenen Verständnis von Geschlecht, Identität und Sexualität, von 'Normal‘ und 'Unnormal‘ konfrontieren. Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität behandelt die Ausstellung dabei als unmittelbar miteinander verbundene Themenfelder. So gerät das Konzept von Homo- und Heterosexualität dann ins Wanken, wenn zweiseitiges Geschlechtsverständnis unzureichend erscheint. Löb: „Unser Anliegen ist es, Lebensentwürfe jenseits der heterosexuellen Norm aus der Tabuzone in unsere Mitte zu holen." Es bietet Einblicke in die historische und zeitgenössische Auseinandersetzung mit Sexualität und Geschlecht.

"Die weit verbreitete Wahrnehmung, Homosexuelle mit schwulen Männern gleichzusetzen, hält dabei der historischen Entwicklung nicht stand: 'Homosexualität_en‘ rückt deshalb ebenso die wichtige Rolle der Lesbenbewegung für die Emanzipationsgeschichte in den Fokus wie die Bedeutung trans- und intergeschlechtlicher Aktivisten_innen", so Dr. Birgit Bosold, Projektleiterin und Mit-Kuratorin der Ausstellung. "Wir wollen zeigen, dass die Diskriminierung von homosexuellen Menschen mit der Geschlechterordnung zu tun hat, die allen ungefragt eine geschlechtliche Identität zuweist und zugleich ein sexuelles Begehren, nämlich in Richtung des jeweils anderen Geschlechts." Für die tatsächliche Vielfalt an Lebens- und Liebesformen stehe die auch international geläufige Abkürzung LGBTIQ (Lesbisch, Gay/Schwul, Bisexuell, Transidentifiziert, Intersexuell, Queer)

Neben einem Blick in die Geschichte der wissenschaftlichen Debatten um Geschlecht und Sexualität zeigt die Ausstellung auch die Ausgrenzung und Kriminalisierung von homosexuellen Männern und Frauen und Menschen mit non-konformen Geschlechtsidentitäten. Ihre Zuspitzung erfuhr diese Diskriminierung in der Verschärfung des Paragraphen 175 durch die Nationalsozialisten. Diese verschärfte Fassung wurde Grundlage für die massive Verfolgung von schwulen Männern, die für viele in Haft und Konzentrationslager endete - in der Ausstellung repräsentiert durch den von Gastkurator Dr. Klaus Mueller jahrelang recherchierten "Rosa Winkel". Dieser Teil erzählt Schicksale von Verfolgten und erinnert an all jene Vergessenen, die als homosexuelle Häftlinge im Dritten Reich einen rosa Aufnäher tragen mussten.

Nach Ende des Nationalsozialismus übernahm die Bundesrepublik Deutschland den Paragraphen in ihr Gesetzbuch. Die Folge: Bis zur Liberalisierung 1969 wurden etwa 50.000 Männer verurteilt - ebenso viele wie unter den Nationalsozialisten. "Ich will lieber ein kalter Krieger sein als ein warmer Bruder" - Worte wie diese von Franz-Josef Strauß von 1971 zeigen, dass auch nach 1969 die Diskriminierung Anders-Liebender ihre Fortsetzung fand - bis hinein in unsere vermeintlich aufgeklärte Gesellschaft, in der "Schwul" ein beliebtes Schimpfwort auf bundesdeutschen Schulhöfen ist. Die Ausstellung schildert ebenso persönliche persönliche "Coming-Out"-Geschichten aus der Region und endet mit dem Interviewprojekt "What's next?", in dem Aktivist_innen der queeren Szene über Themen wie ihr politisches Engagement, Solidarität und Konflikte, über Arbeit und Leben jenseits der heterosexuellen Norm sprechen und einen Blick in die Zukunft werfen.

Ergänzt wird "Homosexualität_en" durch zeitgenössische Kunstwerke, die den Umgang mit Sexualität und Geschlecht auf einer künstlerischen Ebene thematisieren. Die Ausstellung wird bis zum 4. September 2016 gezeigt. Mehr Informationen unter www.lwl.org/LWL/Kultur/museumkunstkultur

Quelle: Presseinformation des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) vom 11. Mai 2016