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Landessozialgericht NRW: Tablet ist pandemiebedingter Mehrbedarf

Die Corona-Pandemie verändert den Schulalltag wie kein anderes Ereignis in den letzten Jahrzehnten: Doch ein effektives 'Homeschooling' ist nur mit einem geeigneten Endgerät möglich. Weil gerade Kinder aus ärmeren Haushalten hierüber oft nicht verfügen, ist eine Beschulung für sie kaum möglich. Das nordrhein-westfälische Landessozialgericht hat nun eine möglicherweise richtungsweisende Entscheidung getroffen.

Wie Kinder aktuell beschult werden, hängt sehr stark vom individuellen Engagement von Lehrkräften und Schulleiteungen ab. Während es Schulen gibt, die binnen kürzester Zeit einen 'Corona-Stundenplan' mit Videokonferenzen und Aufgabentools erstellt haben, befinden sich andere Schulen noch im 20. Jahrhundert: Aufgaben werden montags per Email zugeschickt und sollen am Freitag bearbeitet per Email zurückgeschickt werden. Ein Unterricht im Sinne eines gezielten Vermittelns von Lerninhalten kann auf diese Weise nicht stattfinden, zumal Schüler*innen bekanntlich auf sehr unterschiedliche Weise von ihren Eltern unterstützt werden können.

Doch was passiert, wenn die Schule ein vorbildliches Online-Angebot auf die Beine gestellt hat, es den Schüler*innen aber an der nötigen Hardware mangelt? Wenn als Endgerät nur ein Handy zur Verfügung steht, ist die Teilnahme an Videokonferenzen sowie die Bearbeitung von elektronischen Arbeitsblättern kaum möglich, ein größeres Gerät muss her. Doch woher das Geld nehmen, wenn die Eltern es nicht haben? Kann das Jobcenter zur Übernahme der Kosten verpflichtet werden, wenn die Eltern im SGB II-Bezug sind? Das kann es, hat nun das Landessozialgericht (LSG) in Essen entschieden.

Eine Schülerin der 8.Klasse hatte mit ihren Eltern einen Antrag auf Mehrbedarf für ein Tablet gestellt, damit die Schülerin am Onlineunterricht ihrer Klasse teilnehmen kann. Das Jobcenter hatte den Antrag abgelehnt, das Sozialgericht Gelsenkirchen dieses Vorgehen bestätigt. Das LSG stellte nun in seinem Urteil klar, dass ein Tablet aufgrund der Pandemie und der dadurch gravierend veränderten Unterrichtsbedingungen sehr wohl ein grundsicherungsrechtlich relevantes Endgerät darstelle. Ohne ein Tablet oder vergleichbare Hardware sei die zuverlässige Beschulung zuhause nicht möglich. 

Das Urteil des LSG könnte richtungsweisend sein. Denn noch ist nicht absehbar, wann die Schulen wieder in ihren Regelbetrieb zurückkehren. Auch angesichts einer möglicherweise drohenden 'zweiten Welle', die erneute Shutdown-Maßnahmen erforderlich machen könnte, sollte die technische Ausstattung aller Schüler*innen gewährleistet sein, damit ein halbwegs chancengerechtes Lernen stattfinden kann. Die Höhe des geltend gemachten Bedarfs wurde auf etwa 150 Euro, orientiert an dem für ein internetfähiges Markentablet (10 Zoll, 16 GB RAM) ermittelten Preis sowie dem Bedarfspaket "digitales Klassenzimmer" der Bundesregierung (150 Euro je Schüler), veranschlagt.