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Jung, klug, prekär beschäftigt

21.02.2019 | Studium, Forschung | Nachrichten

Sie qualifizieren sich durch gute Leistungen im Studium für einen Job als Wissenschaftler*in. Doch statt einer Belohnung, wie dies in der Leistungsgesellschaft eigentlich zu erwarten wäre, erhalten viele junge Menschen ein Leben in Ungewissheit. Sie arbeiten zu viel, und das #unbezahlt.

Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schieben Überstunden – deutlich mehr als andere Beschäftigte – und außerdem in der Regel unbezahlt. Das hat die Sonderauswertung einer Befragung des Deutschen Zentrums für Wissenschafts- und Hochschulforschung (DZHW) ergeben, die das Hannoveraner Forschungsinstitut im Auftrag der Zeitschrift „Forschung und Lehre“ erstellt hat.

Während Arbeitnehmer*innen durchschnittlich ca. 4 Überstunden pro Woche leisten, erhöht sich dieser Wert bei wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen im Schnitt um das Dreifache. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit beträgt bei Arbeitnehmer*innen im sogenannten "akademischen Mittelbau" 30 Wochenstunden. Offensichtlich kalkulieren die Arbeitgeber, in diesem Fall die Bundesländer, damit, dass die Betroffenen mehr arbeiten als vertraglich festgelegt. Denn die Mehrarbeit wird in der Wissenschaft in der Regel nicht bezahlt, sondern aus "kulturellen" Gründen erwartet. Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender und Vorstandsmitglied für Hochschule der GEW erklärt daher, es sei nicht in Ordnung, „Beschäftigte gegen ihren Willen mit Teilzeitstellen abzuspeisen und volle Arbeit zu verlangen. Das ist nichts anderes als eine Gehaltskürzung auf kaltem Wege". 

Beschäftigten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen müsse daher grundsätzlich eine Vollzeitbeschäftigung angeboten werden, sagte Keller und verwies auf die Empfehlungen des von der GEW ausgearbeiteten Herrschinger Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“. Unlängst hatte sich auch der Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz und Rektor der Universität Duisburg-Essen, Ulrich Radtke, dafür ausgesprochen, Doktorandinnen und Dokotoranden grundsätzlich ganze Stellen anzubieten.

Besonders bunt treiben es die von Bund und Ländern finanzierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Mit Billigung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung werden Doktorandinnen und Doktoranden auf Vollzeitstellen eingestellt, erhalten aber nur das halbe Gehalt. Möglich ist das, weil sich die Forschungseinrichtungen standhaft weigern, einen Tarifvertrag zu unterschreiben oder einem tarifgebundenen Arbeitgeberverband beizutreten. „Es ist skandalös, dass Bund und Länder die Tarifflucht und Dumping-Löhne an öffentlichen Wissenschaftseinrichtungen nicht nur dulden, sondern mit Steuergeldern finanzieren. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz muss dem Treiben ein Ende machen und Max Planck, Helmholtz, Fraunhofer und Leibniz an den Verhandlungstisch mit den Gewerkschaften zwingen“, sagte Keller.


Quelle: Erklärung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom 07.02.2019