Gutachten zur Sozialen Wohnungspolitik spricht sich für Wohngeldreformen aus

02.09.2018 | Sozialpolitik | Nachrichten

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat das Gutachten „Soziale Wohnungspolitik" veröffentlicht. Anlass für dieses Gutachten sind die aktuelle Diskussion über bezahlbaren Wohnraum und der Anstieg des Mietniveaus in Ballungsräumen und Universitätsstädten. Vor diesem Hintergrund geht das Gutachten der Frage nach, wie eine effiziente Versorgung mit angemessenem Wohnraum erreicht und soziale Härten am Wohnungsmarkt abgefedert werden können.

Der Beirat hält das Bild des fehlenden bezahlbaren Wohnraums, das in der öffentlichen Diskussion vielfach geäußert wird, für irreführend. Es lasse die Funktion von Preisen als Knappheitsindikatoren außer Acht, heißt es in den Emfehlungen seines aktuellen Gutachtens. Zusätzlich würden zwei unterschiedliche Probleme vermengt und damit deren Lösung erschwert, heißt es weiter: "Zum einen mangelt es in vielen Regionen an Wohnraum, weil die Anreize zur Erstellung und zur Vermietung von Wohnungen zu gering sind. Zum anderen fehlt es vielen Familien an Kaufkraft, um sich eine Wohnung in einem Ballungsgebiet leisten zu können. Dieses zweite Problem ließe sich durch angemessene finanzielle Förderung, die an den individuellen Ausgaben fürs Wohnen ansetzt, deutlich entschärfen."

Wohngeld statt Mietpreisbremse 

Unter anderen, empfiehlt der wissenschaftliche Beirat, die Mietpreisbremse ersatzlos zu streichen. Sie sei weitgehend wirkungslos und dort, wo sie wirke, behindere sie den Abbau von Wohnungsknappheit. Auch einer Wiederbelebung des Sozialen Wohnungsbaus widerspricht der Beirat. Seiner Ansicht nach solle er im Gegenteil zurückgefahren werden, weil hierbei eine Fehlleitung von Subventionen drohe. Wenn überhaupt, sollte seiner Meinung nach der Soziale Wohnungsbau nur in Verbindung mit einer konsequenten Fehlbelegungsabgabe und mit der Auflage einer Durchmischung mit frei finanziertem Wohnungsbau im selben Wohngebiet fortgeführt werden. Der wissenschaftliche Beirat spricht sich für das Wohngeld als adäquates Mittel für die Versorgung von Angehörigen der unteren Einkommensgruppen und großer Familien mit angemessenem Wohnraum zu tragbaren Kosten aus.

In der Vergangenheit krankte dieses Instrument an einer hohen Quote der Nichtinanspruchnahme, wird eingeschätzt. Dieses Problem sollte durch eine Reihe von Reformen gelöst werden. Die Höhe des Wohngelds sowie die Grenzen für die anrechenbare Miethöhe sollten demnach angehoben und regelmäßig aktualisiert werden. Überschneidungen mit anderen Unterstützungsprogrammen sollten entzerrt und die dabei zugrunde liegenden Einkommensbegriffe vereinheitlicht werden. Auch eine Bündelung der Zuständigkeiten in einer einzigen Behörde hält der wissenschaftliche Beirat für zielführend. Dabei empfiehlt er, die Transferentzugsraten unter Berücksichtigung aller Unterstützungssysteme so zu begrenzen, dass sich das Arbeiten auch im Niedriglohnbereich noch lohnt.

Download des Gutachtens unter www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachten-wissenschaftlicher-beirat-soziale-wohnungspolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=4

Hintergrund

Der Wissenschaftliche Beirat berät das Bundeswirtschaftsministerium unabhängig und selbstständig in Form von Gutachten in Fragen der Wirtschaftspolitik und bestimmt den Gegenstand seiner Beratungen selbst. Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats ist Prof. Dr. Hans Gersbach, Professor für Makroökonomie, Innovation und Politik CER-ETH – Center of Economic Research at ETH Zürich, Schweiz. Die Federführung für das Gutachten hatte  Professor Dr. Friedrich Breyer, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Konstanz


Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie am 23. August 2018