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Gesundheitsbranche zunehmend Ziel privater Investoren

Mehr als 20.000 Beschäftigte in Krankenhäusern, fast 40.000 Mitarbeiter*innen von Pflegediensten bzw. -heimen waren zwischen 2013 und 2018 betroffen: Private Investoren suchen nach Renditechancen und finden sie offenbar immer häufiger in der Gesundheitsbranche. Dies zeigen Ergebnisse einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie,

Das Geschäftsmodell von Private-Equity-Gesellschaften ist klar: Kaufen, "restrukturieren", verkaufen. Das Problem hierbei ist leider häufig, dass "Restrukturierungen" meistens mit Einsparungen verbunden sind, die in besonderer Weise den kostenträchtigen Personalbereich betreffen. Die nun veröffentlichten Teilergebnisse "Übernahmen durch Private Equity im  deutschen Gesundheitssektor" des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Private Equity Monitor Deutschland zeigen, dass die Gesundheitsbranche zum wichtigsten Feld für Investoren geworden ist.

Die Übernahmen finden vor allem in drei Bereichen statt: Mehr als ein Drittel betreffen Pflegeheime und Pflegedienste, gut die Hälfte Facharztpraxen oder Medizinische Versorgungszentren, etwa ein Zehntel Krankenhäuser. Nach der Zahl der Beschäftigten entfiel mehr als die Hälfte auf Pflege-Unternehmen, ein knappes Drittel auf Krankenhäuser und etwas mehr als ein Zehntel auf Facharztpraxen. Besonders aktiv waren die Firmenhändler in den Bereichen Zahnmedizin, Augenheilkunde und Rehabilitation.

Krise auf dem Wohnungsmarkt nutzt Kapitaleignern

Die wirtschaftliche Attraktivität der Branche für Kapitaleigner ergibt sich hiernach auch aus strukturellen und systemimmanenten Gegebenheiten. Christoph Scheuplein, Michaela Evans, Sebastian Merkel, Autor*innen der Studie: „Sichere Refinanzierungsbedingungen, langfristige Gewinnerzielungsmöglichkeiten, steigende Immobilienpreise, finanzielle Eigenbeiträge der Pflegebedürftigen wie auch der Bedeutungsgewinn von Selbstzahlerleistungen machen den wachsenden deutschen Gesundheitsmarkt für Finanzinvestoren attraktiv.“ Die Käufer verfolgten häufig eine sogenannte Buy-and-Build-Strategie: Sie kaufen mehrere Einrichtungen der gleichen Fachrichtung auf und schließen sie zu einer neuen – internationalen – Unternehmenskette zusammen. Das  Engagement sei meist kurzfristig angelegt. Das Problem: Private-Equity-Gesellschaften steigern ihre Rendite, indem sie Kosten senken oder sich auf lukrative Geschäftsfelder konzentrieren. Tatsächlich gebe es bereits Hinweise auf schlechtere Arbeitsbedingungen und eine Einschränkung der Mitbestimmung, so die Wissenschaftler. Sie sehen einen deutlichen Handlungsbedarf der Politik. So lägen die konkreten Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung und die Verwendung der Versichertenbeiträge bislang völlig im Dunkeln.

Gewinne landen häufig in Offshore-Finanzzentren wie den Cayman Islands 

Bei den Investoren handele es sich überwiegend um kapitalkräftige, fonds-basierte Private-Equity-Gesellschaften aus verschiedenen europäischen Ländern und den USA. Zwei Drittel der an den Übernahmen beteiligten Fonds hatten ihren rechtlichen Sitz in einem Offshore-Finanzzentrum, z.B. auf den Cayman Islands. Dorthin flössen auch die im deutschen Gesundheitssektor erzielten Gewinne, so Scheuplein, Evans und Merkel. Als Beispiel führen die Autor*innen dafür die Pflegeheimkette Casa Reha an.  Wenige Jahre nach der Gründung des Unternehmens stiegen 1998 der deutsche Investor ECM Equity Capital Management und die US-Bank JP Morgan ein. Im Jahr 2005 wurde die Kette dann an die US-amerikanische Gesellschaft Advent International veräußert. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Gruppe aus 24 Pflegeheimen mit 3300 Betten. Drei Jahre später übernahm der britische Investor HG Capital als neuer Mehrheitseigentümer, der sie schließlich nach weiteren Zukäufen 2015 an den französischen Seniorenheim- und Klinikbetreiber Korian weiterverkaufte. Mit seinen bis dahin 70 Pflegeheimen, 10000 Betten und rund 4000 Mitarbeitern in Deutschland steht Casa Reha beispielhaft für Gesundheitsketten im Besitz von Investoren. 

Während die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter*innen in Einrichtungen des Gesundheitswesens also häufig katastrophal sind, greifen Investoren Gewinne ab, die letztlich häufig in Steueroasen landen. Aus diesem Missverhältnis ergeben sich für die Autor*innen zahlreiche Fragen, die vor allem auf politischer Ebene zu klären seien. So sei zum Beispiel unklar, inwieweit die Renditeorientierung sich auf die Qualität der Patient*innenversorgung auswirke. Zudem sei zu beachten, dass das"erwirtschaftete" Geld ganz überwiegend aus Versichertenbeiträgen entstamme.

 

Quelle: Mit Informationen der Hans-Böckler-Stiftung vom 14.6.2019