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Der Bundesfreiwilligendienst ersetzt ab dem 1. Juli 2011 den Zivildienst. Foto: ©iStockphoto.com/RapidEye

Der Zivi geht – der Bufdi kommt

von Gaby Briese-Schaeffer
20.06.2011 | Soziale Arbeit | Schwerpunkte Kommentare (0)

Der Wegfall des Zivildienstes und der Beginn des Bundesfreiwilligendienstes zum 1. Juli 2011 stellt viele Hilfsorganisationen, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser vor eine neue Situation. Ein Einblick in die Neuerungen und Herausforderungen, die damit verbunden sind.

Grundlagen

Mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz (WehRÄndG 2011) und dem Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst (BFDG) wird die allgemeine Wehrpflicht und damit die Pflicht zur Ableistung des Zivildienstes zum 1. Juli 2011 ausgesetzt und ein Bundesfreiwilligendienst eingeführt. Bis zum 31. Dezember 2011 können Zivildienstleistende einen freiwilligen zusätzlichen Zivildienst leisten.

Der Bundesfreiwilligendienst richtet sich an Personen jeglichen Alters, die sich im Anschluss an die Schulzeit für das Allgemeinwohl engagieren möchten. Alter, Geschlecht, Nationalität und Art des Schulabschlusses spielen keine Rolle.

In der Regel dauert der Bundesfreiwilligendienst 12 Monate, er kann aber auf 6 Monate verkürzt oder auf 18 Monate verlängert werden. In Ausnahmefällen ist auch eine maximale Dienstdauer von 24 Monaten möglich. Menschen, die älter als 27 Jahre sind, können auch in Teilzeit (mindestens 20 Stunden pro Woche) tätig werden.

Geleistet wird der BFD überwiegend als sog. praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen.

Während des Freiwilligendienstes erhalten die Freiwilligen ein Taschengeld, deren Höhe von der Einsatzstelle festgelegt wird. Die Höchstgrenze liegt bei 330,00 Euro. Hinzukommen kann die Übernahme von Berufskleidung, Verpflegung und Unterkunft.

Von den Einsatzstellen werden Beiträge zur Renten-, Unfall-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung gezahlt.

Zuständige Behörde für den Bundesfreiwilligendienstes ist das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (früher: Bundesamt für den Zivildienst). Die Organisation übernehmen sog. Zentralstellen, die bei den bundeszentralen Trägern der Jugendfreiwilligendienste FSJ und FÖJ, angesiedelt werden. Neben der Steuerungsfunktion bietet das Bundesamt für die angeschlossenen Einsatzstellen und Träger die Organisation und Durchführung der pädagogischen Begleitung der Freiwilligen an.
Beim Bundesamt selbst wird eine weitere Zentralstelle eingerichtet werden.

Obwohl der BFD als Nachfolger des Zivildienstes betrachtet wird, orientiert er sich von der Ausgestaltung eher am FSJ bzw. FÖJ.

Nachfolgend finden Sie die Merkmale der verschiedenen Freiwilligendienste tabellarisch nebeneinander gestellt:

Merkmale der Freiwilligendienste in Deutschland

 

BFD

FSJ und FÖJ

Dauer

mindestens 6 Monate, höchstens 18 Monate, in Ausnahemfällen bei Vorliegen eines entsprechenden pädagogischen Gesamtkonzepts auch bis 24 Monate oder Aufteilung in Blöcke von mind. 3 Monaten Dauer,

i.d. R. 12 Monate

mindestens 6 Monate, höchstens 18 Monate, in Ausnahemfällen bei Vorliegen eines entsprechenden pädagogischen Gesamtkonzepts auch bis 24 Monate,

i.d. R. 12 Monate

Aufteilung in mehrere Blöcke ist nicht möglich

Alter der Freiwilligen

keine Altersbegrenzung nach oben Voraussetzung: Beendigung der Pflichtschulzeit

Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 26 Jahren, nach Beendigung der Pflichtschulzeit

Arbeitszeit

Vollzeit, i.d.R. 40 Stunden

nach Vollendung des 27. Lebensjahres auch als Teilzeitbeschäftigung mit mind. 20 Wochenstunden möglich

Vollzeit, i.d.R. 40 Stunden

Betreuung

pädagogische Begleitung soll angeboten werden, Ausführung noch nicht geklärt, Teilnahme an begleitenden Seminaren ist Pflicht, 25 Seminartage/Jahr

pädagogische Betreuung während des FSJ durch den Träger und begleitende Seminare, deren Teilnahme Pflicht ist, 25 Seminartage/Jahr

Taschengeld

wird von den Einsatzstellen festgelegt

Höchstbetrag von 330 Euro

wird von den Einsatzstellen festgelegt

Höchstbetrag von 330 Euro

Kostenerstattung

Kostenerstattung für Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung möglich, ist mit der Einsatzstelle abzuklären

Kostenerstattung für Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung möglich, ist mit der Einsatzstelle abzuklären

Versicherung

gesetzlich kranken-, pflege-, arbeitslosen- und rentenversichert

gesetzlich kranken-, pflege-, arbeitslosen- und rentenversichert

Kindergeld

obwohl ursprünglich nicht vorgesehen, soll der Kindergeldanspruch für die unter 25-jährigen Teilnehmenden auch während des BFD bestehen bleiben (Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, Stand: 19.06.2011)

Die Kindergeldberechtigung bleibt auch während des FSJ bestehen.

Gesetzesgrundlage

Bundesfreiwilligendienst-Gesetz

Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten

Wiederholung

mehrfach möglich, Abstand von 5 Jahren

nicht möglich

Auslandstätigkeit

nicht möglich

kann auch im Ausland erfolgen

Anerkennung der Einsatzstellen

durch die zuständige Bundesbehörde Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben

bisherige Zivildienststellen gelten automatisch als anerkannt

über die zuständige Landesbehörde

Vertrag

zwischen dem Freiwilligem und dem Bund

zwischen dem Freiwilligen und dem zugelassenen Träger des Jugendfreiwilligendienstes

Kann der Bundesfreiwilligendienst die entstehenden Lücken ersetzen?

Künftig sollen bis zu 35.000 Bürger jährlich den Bundesfreiwilligendienst (BFD) leisten. Dieser ergänzt die bereits vorhandenen Freiwilligendienste Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ), mit ihren bisher ca. 35.000 Freiwilligen pro Jahr.
Im Vergleich dazu verrichteten bis 2010 jährlich um die 90.000 junge Männer Zivildienst. Direkt vergleichbar sind die Zahlen jedoch nicht, da der Zivildienst zuletzt nur noch 6 Monate dauerte und die Dauer beim BFD in der Regel 12 Monate betragen soll.
Im Juni 2011 gibt es noch knapp 19.900 Zivildienstleistende.

Der große Run auf den Bundesfreiwilligendienst ist bisher noch ausgeblieben. In der Presse wird täglich über die Angst der Verbände und Einrichtungen vor einem Notstand berichtet. Viele Einrichtungen wissen noch nicht, wie sie die entstehenden Lücken mit Personal füllen sollen.

Nach einer von WDR 5 in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage zur Bekanntheit und Akzeptanz des BFD beurteilen junge Menschen den Bundesfreiwilligendienst eher skeptisch. Obwohl der Dienst selbst mittlerweile überwiegend bekannt ist, kann sich nur knapp ein Drittel der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 30 Jahren tatsächlich vorstellen, sich im Rahmen des BFD zu engagieren. Mehr als die Hälfte der jungen Menschen ist der Meinung, dass ein verbindlich vorgeschriebenes soziales Jahr effektiver wäre.

In den bevölkerungsreichen Bundesländern Bayern und Niedersachsen gibt es in diesem Jahr nach Hamburg und dem Saarland einen doppelten Abiturjahrgang, in den anderen Ländern steht er bis 2014 an. Studienplätze sind heiß begehrt – das spielt bei vielen Abiturienten eine große Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eine Auszeit.

Im Bundesfamilienministerium sieht man dem Start des Bundesfreiwilligendienstes hingegen optimistisch entgegen. Immerhin seien schon über 1.000 Verträge mit Freiwilligen unterzeichnet worden, im Schnitt kämen pro Woche weitere 250 neue Verträge hinzu. Da weit über 14.000 der derzeit noch aktiven Zivildienstleistenden ihren Vertrag freiwillig verlängert hätten, sei am 1. Juli 2011 kein Engpass zu erwarten. Das Ziel, bis 2012 35.000 Freiwillige für den BFD zu gewinnen, könne durchaus erreicht werden.

Von Seiten der Verbände wird beklagt, dass die Informationskampagne des BMFSFJ für den Bundesfreiwilligendienst Mitte Mai 2011 viel zu spät gestartet sei. Unsicherheit bei jungen Interessierten besteht nach wie vor bei der Frage des Kindergeldanspruchs.

Es wird befürchtet, dass viele Zivildienststellen nicht rechtzeitig oder gar nicht mit Bufdis besetzt werden können. Als Alternative sind vielerorts 1-Euro- oder 400-Euro-Jobber im Gespräch. Diese könnten dann aber länger beschäftigt bleiben als die Zivis, die zuletzt nur noch ein halbes Jahr ihren Dienst verrichteten. Der Zivi war jedoch in Vollzeit beschäftigt, d.h. um diesen adäquat zu ersetzen sind u.U. mehrere Kräfte erforderlich. Wird das Zwischenmenschliche zwischen Patienten und Pflegepersonal leiden durch dieses Mehr an Hilfskräften?

In vielen Einrichtungen häufen hauptamtliche MitarbeiterInnen Überstunden an, um die Verluste durch den wegfallenden Zivildienst auszugleichen.

Es geht die Angst vor tiefen Einschnitten in der Versorgung älterer, junger, behinderter und kranker Menschen um. Drohen neben dem Fachkräftemangel auch höhere Kosten in der Pflege? Wird in vielen Fällen die ambulante Betreuung auch weiterhin gewährleistet werden können?

Ob sich der Bundesfreiwilligendienst etablieren kann und ob die Lücken durch den Wegfall des Zivildienstes geschlossen werden können, kann man erst in einigen Monaten sagen. Klar ist aber schon jetzt, dass sich die gesamte Branche in einer Umbruchphase befindet und viele Strukturen überdacht und gegebenenfalls neu konzipiert werden müssen.

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