Der Platz zwischen den Stühlen
Meinen Resturlaub kann ich in der ersten Februarwoche nehmen. Im Januar hatte ich einige Termine mit meinen Familien zu erledigen und auch noch die Vertretung für meine Kollegin. Mit Familie B war ich im Familienzentrum, das zum Glück auch wieder an den Wochenenden für einige Stunden geöffnet ist. Leider ist die Finanzierung nicht gesichert, wie ich im Gespräch mit der Kollegin erfahren habe. Sie hat, mit so viel Liebe, das Programm für Eltern und Kinder zusammengestellt, und jetzt steht ihr Job auf der Kippe. Das macht mich wütend, und es frustriert. Immer kommt noch etwas obendrauf auf die Unsicherheiten, in denen wir sowieso schon leben. Kriege und die Klimakatastrophe, die persönlichen Beziehungskrisen, gesundheitliche Probleme, finanzielle Sorgen und die Angst vor der Zukunft. Da möchte ich einfach laut schreien.
Manchmal hilft es, das auszusprechen und jemandem zu erzählen, und dann fokussiere ich wieder auf den kleinen Bereich, in dem ich wirksam sein kann. Ich nähre mich von verlässlichen privaten Beziehungen und langjährigen Freundschaften, und manchmal auch von einer flüchtigen Begegnung, die mir angenehm in Erinnerung bleibt. Ich denke an das, was heute wirklich wichtig ist und komme glücklicherweise auch immer wieder zu dem Ergebnis, dass meine Arbeit sinnvoll ist. Das hilft. Ein wenig. Für heute.
Frau B hat sich zum Elternkurs für Alleinerziehende angemeldet, bei dem es eine Kinderbetreuung gibt, für Kinder, die noch keinen Kitaplatz haben. Zum Familienfrühstück, das es immer am ersten Sonntag im Monat gibt, möchte sie auch hingehen. Daniel hat den letzten Termin bei der Jugendsuchtberatung abgesagt und auch die Verabredung mit mir. Es war ihm zu umständlich. Er hätte den Bus nehmen und dreimal umsteigen müssen, weil die Bahn nicht so fuhr, wie sie sollte. Ich kann das verstehen und denke, wenigstens hat er an unseren Termin gedacht. Er hat die Verbindungen recherchiert und sich gemeldet. Und wir konnten ausführlich telefonieren. Er meinte, wenn er wieder eine Tagesstruktur hätte, könnte er auch ohne Reha von den Drogen weg. Ich denke, da macht er sich etwas vor, aber es gibt ja auch immer wieder überraschende Entwicklungen. Wohnen will er weiterhin bei seinem Kumpel, und wo er das Geld für die Drogen hernimmt, will er mir nicht sagen. Der Termin bei der Jugendberufshilfe sei ihm wichtig, ich soll ihn zwei Tage vorher nochmal dran erinnern und ihn begleiten. Das mache ich gern. Mal schauen, ob er noch dabei ist, wenn der Termin ansteht.
Mit Arian, dem jungen Mann, der seinen eigenen Jugendhilfeträger gegründet hat, habe ich mich persönlich getroffen. Er sucht Fachkräfte, eine pädagogische Leitung und eine für den Kinderschutz beauftragte Person ab März, und ich stehe wieder zwischen den Stühlen. Da wo ich seit zwei Jahren arbeite, ist ja irgendwie Leerraum. Die geschäftsführende Person ist weg, und es gibt eine Interimslösung. Manchmal denke ich: Ja, alles wird gut, und ich möchte bleiben. Dann stelle ich fest, dass es nicht so läuft, wie in Aussicht gestellt. Es hieß, dass die Mitarbeitenden beteiligt werden und einbezogen sind in die Entwicklung neuer Strukturen. Aber ich bekomme nichts mit, von dem, was da in den Leitungsrunden besprochen wird, und da spüre ich, wie ich Lust habe, beim Aufbau eines neuen Trägers von Anfang an dabei zu sein und zu gestalten.
Ich werde mir einen Termin bei meiner persönlichen Coachin gönnen. Wer weiß, welche Lösung sich findet, auf dem Platz zwischen den Stühlen.
Ihre Katja Änderlich