Rotkehlen sitzt in einem kahlen Buschwerk

Der Frühling wird gut !?

Am 14. Februar sind mir auffallend viele Männer mit je einer langstieligen Rose in der Hand begegnet. Ach, ja, Valentinstag! Ich beschloss mir auch eine zu kaufen, und dann nahm ich gleich drei - eine rote, eine gelbe, eine weiße. Weil ich mich selbst so lieb habe und weil mir sonst niemand etwas schenken würde, dachte ich.

Dass an diesem 14. Februar auch an eine andere und sehr bittere Wahrheit erinnert wird, ist mir erst bei den Abendnachrichten wieder eingefallen.
Jede dritte Frau erlebt Gewalt, wird geschlagen, vergewaltigt oder erlebt eine andere Form von Misshandlung. Weltweit ist das eine Milliarde. Deshalb wurde im Jahr 2012 die Kampagne „One Billion Rising" initiiert – „eine Milliarde erhebt sich". Weltweit finden am 14. Februar Aktionen statt, die Solidarität und die Kraft der Frauen und Mädchen demonstrieren. In 200 Ländern der Welt wird an diesem Tag an öffentlichen Plätzen getanzt um das Ende dieser Menschenrechtsverletzung zu fordern.

Es gibt ein Video dazu, das habe ich mir angeschaut. Nach mehreren kurzen Sequenzen brutaler Realität, weltweit, macht es Hoffnung. Weil die Frauen sich erheben, aus der Gewaltsituation heraustreten und auch ihre Töchter aus der Misshandlung hinaus führen. Die Nachrichtensprecherin hat den Bogen gespannt von den Valentinsrosen als Zeichen der Liebe zum Bericht über eine One-Billion-Rising-Veranstaltung. Weil für viele Frauen die anfängliche Verliebtheit irgendwann ins Frauenhaus führt und weil dann die Täter mit den Entschuldigungen kommen und unschuldige Blumensträuße als Liebesbeweise herhalten sollen. Das Rad dreht sich weiter und die Frauen verbleiben in toxischen Beziehungen. Ich weiß, die Rechnung ist nicht einfach umkehrbar aber ich sah die Männer noch einmal vorbeigehen, mit den Rosen in der Hand, und ich stellte mir vor, dass jeder dritte ...

Als ich am nächsten Tag, also am 15., dem ersten Arbeitstag am neuen Arbeitsplatz, den Teamraum betrat, fiel mein Blick als erstes auf den großen weißen Tisch. In der Mitte stand eine Vase mit fünf orange-rot-gelbe Frühlingsbotinnen. Für Mich?! „Herzlich-Willkommen-Katja" stand auf der Karte, die daneben aufgestellt war und mir das erste Lächeln des Tages in mein Gesicht zauberte. Ich spürte ein leichtes Kitzeln unter der Maske, als sich eine kleine Freudenfalte den Weg bahnte und in meiner Haut Platz nahm.

„Unsere Mädchen haben auch eine Choreografie auf die Bühne gebracht", sagt Dilara, als ich mich mit ihr auf die gemeinsame Arbeit vorbereite. Stolz zeigt sie mir die Aufnahme, die sie noch bearbeiten und zurechtschneiden will. Dilara ist eine meiner neuen Kolleginnen in der sozialpädagogischen Familienhilfe und sie leitet die Tanzgruppe im Familienzentrum. Wir werden also in beiden Bereichen miteinander zu tun haben, denn ich werde die Sprechstunde zu Erziehungsfragen übernehmen und auf gemeinsame und bereichsübergreifende Veranstaltungen habe ich auch große Lust. Ein Frühlingsfest will sie machen, am liebsten mit offenem Feuer im Garten.

Sie ist in Nordfriesland aufgewachsen und ließ die Asche vom Biikebrennen immer drei Wochen an ihrem Pullover, bevor sie ihn wusch und bis zum nächsten Winter in den Schrank packte. Ich kenne aus der Rhön das Hutzelfeuer, das immer am Sonntag nach Fasching abgebrannt wird um die Geister des Winters zu vertreiben. Getanzt wird dabei weder am norddeutschen Strand noch in der Rhön. Aber wir wollen tanzen. Am liebsten im Freien. Auch wenn es noch kalt ist im März. Das interkulturelle Zentrum hat eine Newroz-Feier für den 21. März angekündigt und jetzt soll eine ganze Woche im Zeichen des Friedens, der Solidarität und der Freiheit stattfinden. Wir werden uns anschließen und das Projekt unterstützen.

Ihre Katja Änderlich