Bürgerdialog zum europäischen Projekt: Begeisterung lässt sich nicht verordnen

Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, hat mit Bürgerinnen und Bürgern in Bonn über die Zukunft Europas gesprochen. Die Diskussionsrunde ging der Frage nach, wie sich mehr Begeisterung für das europäische Projekt wecken lasse. Weil diese nicht "von oben" verordnet könne, sei das Engagement jedes Einzelnen wichtig, erklärte Grütters.

Nach dem ersten Bürgerdialog der Kulturstaatsministerin in der Stiftung Genshagen, folgte nun die Fortsetzung im Haus der Deutschen Welle in Bonn. Auch hier nahmen zahlreiche Gäste die Gelegenheit wahr, sich mit der Staatsministerin über Kultur und Europa im auszutauschen.  Unter dem Motto "Sprechen wir über Europa" hatten die Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer bereits in Genshagen ganz grundsätzliche Sinnfragen an das Projekt Europäische Union gestellt. Hat es angesichts aufkeimender nationalistischer Bewegungen ausgedient und gehört sogar abgeschafft? Soweit dürfe es nicht kommen, darin waren sich die Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer einig. Im Gegenteil: die EU solle erweitert und vor allem inhaltlich ausgebaut werden, so der Tenor.

 

In Bonn dagegen warf die Diskussionsrunde nun die Frage auf, wie bei den Bürgerinnen und Bürgern insgesamt mehr Begeisterung für das europäische Gemeinschaftsprojekt geweckt werden könne. Für viele ist diese Frage vor allem mit den Politikerinnen und Politikern verbunden, die die Mitgliedsstaaten auf EU-Ebene vertreten. Da brauche es "Persönlichkeiten, die andere für Europa mitreißen", hieß es aus dem Publikum. Ein weiterer Diskussionspunkt war zudem die Frage wie mit Staaten umzugehen sei, die sich eben nicht an jene europäischen Werte halten. Rausschmeißen oder einbeziehen?

Für europäische Werte streiten 

Für Kulturstaatsministerin Grütters kann die Antwort nur lauten, weiter im Dialog mit diesen Saaten über die Einhaltung der europäischen Werte zu streiten. Es sei besser, sie zurückzuholen, statt aufzugeben, so Grütters. Letzteres sei eine Kapitulation für Europa. Europa als Friedensprojekt erfahrbar machen Doch woraus besteht er, der Kitt, der uns zusammenhält? Gibt es so etwas wie ein gemeinsames kulturelles europäisches Erbe, auf das sich alle EU-Mitgliedsstaaten beziehen können? Für Grütters finden sich Antworten auf diese Fragen vor allem in dem reichen baukulturellen Erbe Europas. Als Denkmäler erinnerten viele der historischen Bauten an "unsere Gemeinsamkeiten", so Grütters. Sie seien oftmals Zeugnisse der Leiderfahrungen, die die verschiedenen europäischen Kulturen miteinander teilten. Deshalb sei es wichtig, Europa in erster Linie als beispielgebendes Friedensprojekt erfahrbar zu machen und so Zusammenhalt in Vielfalt zu stiften, fuhr die Staatsministerin fort. Respekt für die Pressefreiheit hochhalten Eine besondere Rolle spiele hierbei die Pressefreiheit. Mit Besorgnis müsse festgestellt werden, so Grütters, "dass die Pressefreiheit nicht mehr überall in Europa uneingeschränkten Respekt genießt."

"Freie Medien werden nicht umsonst als ‚vierte Gewalt' bezeichnet", erklärte Grütters. "Journalistinnen und Journalisten sorgen dafür, dass gesellschaftliche und politische Fehlentwicklungen aufgedeckt und diskutiert werden", mahnte die Staatsministerin. Deshalb sei die Deutsche Welle gerade in diesen Zeiten als kraftvolle Stimme des unabhängigen Journalismus in der Welt umso wichtiger. Ihr Angebot sei vielerorts die einzige Alternative zu gezielter Desinformation und staatlicher Propaganda, so die Staatsministerin.

Sprachen lernen und Zugang zueinander finden 

Was kann Kulturpolitik zum Zusammenhalt beitragen? Eine wichtige Rolle hierfür spielt nach Ansicht vieler der Gäste das Lernen anderer Sprachen, um Zugang zu anderen Kulturen und Mentalitäten zu erlangen. Dieser kulturelle Austausch innerhalb Europas müsse insbesondere durch Schüler- und Studentenaustauschprogramme gefördert werden, so die Forderung aus dem Publikum. Auch die Kraft der Medien müsse stärker genutzt werden, gab ein Diskussionsteilnehmer zu bedenken und schlug vor, dass zum Beispiel Regionalsender stärker aus den Grenzregionen berichten, um auch Geschehnisse aus den jeweiligen Nachbarländern in den Blick zu nehmen. Sprachübergreifende Projekte fördern Für die Kulturstaatsministerin bot sich in Bonn sogleich die Gelegenheit über Europa nicht nur zu sprechen, sondern dort anzupacken, wo sich die Europäische Union manches Mal auch als bürokratische Hürde erweist:

Ein Bibliothekar aus dem deutsch-französischen Grenzgebiet im Saarland war extra angereist, um Unterstützung für seine "Bibliothek auf Rädern" zu suchen. Gemeinsam mit befreundeten französischen Bibliothekaren schicke er regelmäßig einen Bibliotheksbus mit Büchern in beiden Sprachen auf Tour entlang der Grenze. Unterschiedliche Lizenzregeln und Mehrwertsteuersätze stellten das Projekt jedoch zunehmend infrage. Grütters sagte dem Bibliothekar zu, sich den Fall genauer anzuschauen und zu prüfen, wie seitens des Bundes geholfen werden könne. "Wir möchten solche sprachübergreifenden Projekte fördern", machte die Staatsministerin für Kultur und Medien deutlich.

Hintergrund

Der Bürgerdialog zur Zukunft Europas ist Teil einer europaweit geführten politischen Debatte, an der alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs teilnehmen. Die Bundeskanzlerin und die Bundesministerinnen und Bundesminister beteiligen sich mit einer Reihe von Dialogveranstaltungen in ganz Deutschland.


Quelle: Presseinformation der Bundesregierung am 6. September 2018