Bertelsmann-Studie: Dringend Reform beim Kindesunterhalt notwendig

Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden und damit auch ihrer Kinder ist in den vergangenen zehn Jahren gestiegen, stellt eine aktuelle Studie der Stiftung Bertelsmann fest. Ein-Eltern-Haushalte sind danach fünf Mal so häufig von Grundsicherungsleistungen abhängig wie Paarhaushalte mit minderjährigen Kindern (7,3 Prozent).  Verfasst haben die Studie Professorin Anne Lenze (Hochschule Darmstadt) und Antje Funcke (Bertelsmann Stiftung). Laut Studie bezogen knapp die Hälfte der Alleinerziehenden 2014 ein Einkommen, das weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens entsprach. Das sind 6,6 Prozentpunkte mehr als 2005. Bei Paarfamilien ist das Armutsrisiko im selben Zeitraum um 11,7 Prozentpunkte gesunken. Jedes zweite Kind in einer Familie mit einem Elternteil lebt im Hartz IV-Bezug. „Kinderarmut ist ganz wesentlich auf die Armut von Alleinerziehenden zurückzuführen. Dagegen brauchen wir gezielte Maßnahmen. Nur so ermöglichen wir mehr Bildungs- und Teilhabechancen für fast eine Million betroffene Kinder“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Die Bertelsmann-Studie stellte zugleich fest, dass die Hälfte der Alleinerziehenden überhaupt keinen Unterhalt für ihre Kinder erhält. Ein weiteres Viertel aller Ein-Eltern-Familien bekommt nur unregelmäßig Unterhalt oder weniger als den Mindestanspruch. Die Gründe dafür wurden bislang nicht untersucht, heißt es. Der ausbleibende Unterhalt für die Kinder sei aber eine zentrale Ursache dafür, dass viele Ein-Eltern-Familien nicht über die Armutsgrenze kommen. Dabei ist nach Ergebnissen der Studie mit 61 Prozent die Mehrheit der alleinerziehenden Mütter erwerbstätig. Aufgrund der häufig allein getragenen Verantwortung für die Fürsorge der Kinder, die Erwerbsarbeit und den Haushalt arbeiten sie oft in Teilzeit (58 Prozent). Ihr durchschnittlicher Stundenumfang ist dabei mit 29,5 Stunden pro Woche allerdings deutlich größer als der von Müttern in Paarhaushalten (24,5 Stunden). Das so erwirtschaftete Erwerbseinkommen reicht dennoch vielfach nicht aus, um den eigenen Unterhalt und auch noch den der Kinder zu decken.

Zahlt der unterhaltspflichtige Elternteil nachweislich nicht, können Alleinerziehende den sogenannten Unterhaltsvorschuss beantragen (145 Euro bis zum Alter von 5 Jahren, 190 Euro im Alter von 6 bis 12 Jahren). 2014 haben 455.000 Kinder diese Leistung in Anspruch genommen. Allerdings erhalten sie Unterhaltsvorschuss höchstens sechs Jahre lang und auch nur, wenn sie jünger als zwölf Jahre sind. „Die Regeln zum Unterhaltsvorschuss gehen häufig an der Lebensrealität der Betroffenen vorbei und haben die Kinder und Jugendlichen nicht im Blick. Alle Kinder haben unabhängig vom Alter und dem Trennungszeitpunkt ihrer Eltern Bedarfe, die gedeckt sein müssen. Deshalb sollten auch alle Kinder und Jugendlichen von 0 bis 18 Jahren Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben“, sagt Jörg Dräger. Die Politik solle ein Hauptaugenmerk auf Reformen beim Kindesunterhalt legen, um Armut in Ein-Eltern-Familien schnell und wirksam zu bekämpfen. Mehr Informationen und Download der Studie unter www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/familie-und-bildung-politik-vom-kind-aus-denken/projektnachrichten/alleinerziehende-leben-fuenfmal-haeufiger-in-armut-als-paarhaushalte/

Quelle: Pressemitteilung der Bertelsmann Stiftung vom 6. Juli 2016