Auf sich allein gestellt nach der Heimerziehung - Care Leaver melden sich zu Wort

05.07.2016 | Kinder-/Jugendhilfe

Wenn Jugendliche in der Heimerziehung oder in Pflegefamilien 18 Jahre alt werden, drängen viele Jugendämter darauf, dass die Hilfe unwiderruflich beendet wird. Kürzlich sprachen Care Leaver im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erstmals selbst über ihre Lebenssituationen, Rechte und Zukunftsvorstellungen.  20 Care Leaver diskutierten mit Bundestags-abgeordneten, Vertreterinnen und Vertretern des Ministeriums und der Kinder- und Jugendhilfe sowie von Fachverbänden. Das teilte die Stiftung Universität Hildesheim mit. Während für ihre Altersgenossen der achtzehnte Geburtstag ein großer Tag ist, an dem sie ihre Volljährigkeit feiern, bedeutet dieser Tag für Jugendliche in der Heimerziehung oder in Pflegefamilien häufig, zukünftig allein zurecht zu kommen. Sie müssen in eine eigene Wohnung ziehen und zukünftig den Schulalltag, die berufliche Ausbildung und die alltäglichen Fragen von Versicherungen bis Krankheiten allein managen. Zwar sähe das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) auch Hilfen für junge Volljährige (Paragraph 41) vor, doch der Mehrheit der jungen Menschen werde diese Hilfen nicht gewährt. Junge Menschen in Deutschland ziehen gegenwärtig im Durchschnitt erst mit etwa 24 Jahren in einen eigenen Haushalt und aus dem Elternhaus aus. Care Leaver bereits mit 18. Sie erleben diese Situation als ungerecht, da gerade die Unterstützung im jungen Erwachsenenalter, die andere junge Menschen von ihren Familien erfahren, grundlegend sei, um eine berufliche Ausbildung zu machen oder Schulabschlüsse zu erreichen oder nachzuholen. Dabei ist sich die Jugendforschung einig, dass sich die Jugendphase verändert hat: junge Menschen beginnen später eine Ausbildung und besuchen länger die Schule. Doch für Care Leaver werden diese Veränderungen im jungen Erwachsenenalter nicht anerkannt. „Der 18. Geburtstag darf kein Angstdatum für Care Leaver sein", sagt Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesfamilienministerin. „Mit unserer Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes stärken wir Care Leaver auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben. So können sie in ihre Einrichtung oder Pflegefamilie zurückkehren, wenn bei den ersten Schritten in die Selbstständigkeit nicht gleich alles auf Anhieb klappt." Care Leaver sprachen im BMFSFJ auch über ihre Rechte auf Bildung und Unterstützung. In den vergangenen Jahren hatten sie immer wieder auf ihre mitunter prekäre Lebenssituation aufmerksam gemacht und inzwischen mit Careleaver e.V. eine Selbstorganisation gegründet. Die Diskussion im Bundesministerium verstanden sie als einen weitereren Schritt, damit ihre Lebenslage sowie ihre Rechte als junge Erwachsene anerkannt werden. Die Veranstaltung „Care Leaver: Erwachsen werden ohne Eltern"  wurde mitorganisiert durch die Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGFH) und das Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim, die in den vergangenen Jahren mit Unterstützung der Stiftung Deutsche Jugendmarke ein Projekt „Care Leaver haben Rechte” durchgeführt haben. Das Institut für Sozial- und Organisationspädagogik baut nun mit Studierenden ein Netzwerk auf und erforscht die Bildungsbiografien der jungen Leute. Hinweis der Redaktion Sozial.de: Der Verein erhielt gerade den Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreis (Hermine-Albers-Preis) in der Praxis Kategorie, einen Preis, der alle zwei Jahre von den Obersten Jugend- und Familienbehörden der Länder gestiftet und von der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (www.agj.de) verliehen wird.

Quelle: Stiftung Universität Hildesheim vom 12. Mai 2016