Suizidrate um ein Drittel verringern: Bundesministerium fördert Frankfurter Projekt

Die Frankfurter Universitätsmedizin hat gemeinsam mit dem Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main ein umfassendes Programm zur Suizidprävention ins Leben gerufen. Das Bundesministerium für Gesundheit fördert das Programm mit mehr als einer Dreiviertelmillion Euro.

Jährlich werden allein in Deutschland rund 10.000 vollzogene Suizide verzeichnet. Gerade bei Menschen zwischen 15 und 29 Jahren gehören sie zu den häufigsten Todesursachen. Die Anzahl der Versuche liegt laut Expertenschätzungen bundesweit sogar bei über 200.000, wie die Universitätsklinik Frankfurt am Main mitteilt. In vielen Fällen seien Depressionen die Ursache. Dabei halten Experten diese für gut behandelbar und fordern koordinierte Präventionsmaßnahmen – die es aber bisher kaum gibt. Deshalb hat die Frankfurter Universitätsmedizin gemeinsam mit dem Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main sowie anderen psychiatrischen Kliniken ein Programm zur Prävention von Suiziden mittels evidenzbasierten Maßnahmen (FraPPE) entwickelt. Das umfassende Programm wird vom Bundesministerium für Gesundheit mit 783.000 Euro gefördert. Das Gesamtvolumen des Programms beläuft sich auf 1.158.900 Euro.

„Das Hauptziel dieses Projektes ist es, ein umfassendes Programm zur Suizidprävention mit vielschichtigen Maßnahmen zu evaluieren. Dabei soll geprüft werden, wie effektiv die Maßnahmen vollendete Suizide und Versuche reduzieren und die Vernetzung der Akteure vorantreiben können", erläutert Projektleiter Prof. Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Frankfurt. Als konkretes Ziel haben sich die Programmverantwortlichen gesetzt, die Suizidrate in der Region um ein Drittel zu senken.

Suiziprävention in Frankfurt kommunale Aufgabe

In Frankfurt werden Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen in insgesamt fünf Fachkliniken betreut. Über diese klinische Versorgung hinaus bestehen psychiatrische Angebote wie zum Beispiel psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen oder Tagesstätten. Diese ausdifferenzierte und gut vernetzte psychiatrische Versorgungsstruktur erlaubt eine gezielte Umsetzung und systematische Auswertung des weitreichenden Maßnahmenpakets. „Frankfurt ist die erste deutsche Stadt, die sich Suizidprävention zur kommunalen Aufgabe gemacht hat. Neben den am Programm beteiligten Kliniken und Instituten engagieren sich mehr als 70 regionale Akteure im Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention, kurz: FRANS, das 2014 auf Initiative des Gesundheitsamtes gegründet wurde", erklärt Dr. Christiane Schlang vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamts Frankfurt am Main.

Einbindung und Qualifizierung von "Gatekeepern" 

Das Programm besteht aus insgesamt vier Teilprojekten. Im ersten geht es um Evaluation von Suizidpräventionsmaßnahmen und Interventionsmaßnahmen nach Suizidversuchen. Dafür wird in den fünf psychiatrischen Kliniken der Stadt eine niederschwellige Sprechstunde für Menschen in möglicherweise suizidalen Krisen und deren Angehörige eingerichtet. Schulungen und Weiterbildungen sollen eine leitliniengerechte antidepressive Therapie an allen Standorten sicherstellen. Darüber hinaus wird eine 24/7-Hotline für Suizidgefährdete, deren Angehörige und Akteure der psychiatrischen Versorgung eingerichtet.

Außerdem werden stadtweit sogenannte Gatekeeper weiterqualifiziert. Unter Gatekeepern versteht man Personen, die aufgrund ihrer beruflichen oder sozialen Rolle potenziell mit Menschen mit einer Suizidgefährdung in Kontakt kommen. „Gerade Hausärzte sind häufig eine erste, niedrigschwellige Anlaufstelle für Patienten mit suizidalen Gedanken. Wir wollen sie insbesondere bei der frühzeitigen Erkennung von Warnsignalen und bei der Therapie von Depressionen bestmöglich unterstützen" sagt Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Frankfurter Instituts für Allgemeinmedizin. „Da das auch eine der Hauptaufgaben des Frankfurter Bündnisses gegen Depression ist, ergänzen sich diese beiden Projekte in idealer Weise", fügt Dr. Christine Reif-Leonhard, Koordinatorin des Bündnisses und Oberärztin der Ambulanz der Universitätspsychiatrie hinzu.

Das zweite Teilprojekt besteht aus Antistigma- und Awareness-Maßnahmen. Insbesondere in den Notaufnahmen und Intensivstationen der Kliniken im Stadtgebiet, aber auch bei Notärzten, Einsatzkräften oder im Jugendamt soll Aufmerksamkeit geschaffen werden. Erreicht werden soll, dass jeder Patient nach einem Suizidversuch zeitnah von einem Psychiater oder in einer psychiatrischen Klinik untersucht wird. Außerdem sollen PR-Aktionen die Akzeptanz von Hilfsangeboten in Krisensituationen fördern.

Außerdem wird untersucht, welche Methoden zum Vollzug von Suiziden eingesetzt werden. Auf diesem Weg wollen die Projektverantwortlichen eine Beschränkung des Zugangs zu Suizidmethoden erzielen. „Der Suizid ist das schwerwiegendste und endgültige Symptom von Depressionen", so der am Projekt beteiligte Rechtsmediziner Prof. Marcel Verhoff. „Es ist deshalb wichtig, alle diese Fälle exakt zu untersuchen. Neben der Bestimmung der genauen Todesursache muss herausgefunden werden, ob Medikamente oder Drogen genommen wurden. Weiterhin ist es wichtig, ob in der Vergangenheit ärztliche Kontakte wegen Depression stattgefunden haben und gegebenenfalls verordnete Medikamente nicht eingenommen wurden."

Das dritte Teilprojekt hat das Ziel, die Vernetzung der Akteure im bereits bestehenden Netzwerk FRANS weiter zu verstärken. Das übergeordnete Projektmanagement und die Bekanntmachung der Auswertungsergebnisse bilden das vierte Teilprojekt.

Die Akteure 

Zahlreiche Einrichtungen beteiligen sich an der Organisation des Programms: Federführend ist die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Außerdem sind die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters und das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum sowie das Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität beteiligt. Von Seiten der Stadt wirkt neben dem Gesundheitsamt das Jugend- und Sozialamt mit. Weitere Beteiligte sind das Agaplesion Markus-Krankenhaus, das Klinikum Frankfurt Höchst, die Klinik Hohe Mark und die Zeitbild Stiftung.

 


Quelle: Presseinformation des Universitätsklinikum Frankfurt vom 1. November 2017