Gemeinnützigkeit: Neues Rechtsgutachten vorgelegt
Politisch aktiven Organisationen wurde in den vergangenen Jahren gleich mehrfach der Status der Gemeinnützigkeit entzogen. Dass diese Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofes nicht unumstritten ist, belegt ein neues Rechtsgutachten des Bochumer Professors Sebastian Unger: Wenn Organisationen politisch aktiv sind, sind sie noch lange keine politische Partei.
Eingetragene Vereine werden steuerlich bevorzugt behandelt. Wichtigste Voraussetzung: Sie müssen Gemeinnütziges leisten. Deutsches Recht, konkret die Abgabenordnung, sieht vor: Gemeinnützig sind Organisationen dann, wenn die "Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern." Was jedoch genau darunter zu verstehen ist, ist nicht eindeutig und zum Teil heftig umstritten. Prominentestes Beispiel war im vergangenen Jahr die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der NGO 'Attac' mit der Begründung, es handle sich um eine politische Organisation, weshalb man nicht von gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung sprechen könne.
Ein neues Gutachten des Bochumer Professors Sebastian Unger, das die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in Auftrag gegegen hatte, greift die Auslegung des Bundesfinanzhofs nun substanziell an. Es besagt im Kern, dass bei der Bewertung dessen, was als gemeinnützig betrachtet wird, ein deutlich größerer Spielraum besteht als von den Finanzministerien behauptet wird. Es handle sich bei der Interpretation der Abgabenordnung weniger um eine rechtliche als um eine politische Frage. Es kann jedenfalls nicht im Sinne der demokratischen Grundordnung sein, dass Vereine, die staatliche Behörden und Institutionen kritisch beobachten und zur Aufklärung fragwürdiger politischer Praktiken beitragen, nicht als gemeinnützig angesehen werden, Kaninchenzüchtervereine hingegen schon. Zur Wahrung demokratischer Grundrechte werden NGOs geradezu benötigt. Hierzu sind auch finanzielle Aspekte wesentlich, damit beispielsweise Lobbykampagnen umgesetzt werden können.
Diese Form politischer Einmischung ist laut Unger noch lange keine Parteiarbeit. Aus dem Gutachen geht hervor, dass man eben keine Ähnlichkeit zu Parteien ableiten kann, nur weil eine Organisation sich für politische Ziele einsetzt und entsprechend öffentlich Forderungen aufstellt. Die unklaren Regelungen bedürfen dringend einer Reform. Der Bundestag könnte mit einer Präzisierung Klarheit schaffen, Voraussetzung hierfür ist freilich der politische Wille der Regierungsfraktionen.