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Das unterschreibe ich nicht!

In der SPFH für Familie Albac hat die Zuständigkeit im Jugendamt gewechselt. Die Anfrage kam von Frau Ludwig, ich hatte mit ihr telefoniert und gesagt, dass ich die Hilfe übernehmen kann. Gestern erhielt ich den Hilfeplan, per E-Mail im Anhang als PDF-Datei. Ich denke: Aha, Frau Kolber scheint also eine junge Kollegin im Jugendamt zu sein, die älteren schicken die Unterlagen mit der Post, und zurückmöchten sie es gerne per Fax.

Noch merkwürdiger ist es allerdings, dass im Hilfeplan eine Hilfekonferenz eingetragen ist, die so gar nicht stattgefunden hat, und ich soll das unterschreiben und auch die Unterschriften der Familie einholen.

Ich erinnere mich noch gut an die Sache mit Frau Wiesbach. Das war vor etwa einem Jahr. Da sollte die Hilfe auch ohne Hilfekonferenz starten, und ich wollte, dass wir endlich anfangen können, und ich bin los, beide Augen zugedrückt, habe ich unterschrieben, und Frau Wiesbach auch, ohne genau zu lesen, was da eigentlich steht. Und dann ist mir die Sache so richtig mächtig um die Ohren geflogen. „Nie wieder“, habe ich damals gesagt und nun? - das gleiche noch einmal?
„Die haben keine Kapazitäten, die machen Präsenzhilfeplanung nur noch bei Kinderschutzfällen“, sagt meine Teamleitung. Nun geht es mir ja auch gar nicht um die Hilfekonferenz, aber ich will nichts unterschreiben, was nicht der Wahrheit entspricht, und ich möchte das auch nicht der Mutter beibringen und den Kindern schon gar nicht, die sollen auch unterschreiben, steht in der Mail von Frau Kolber. Die Beteiligung von Kindern im Hilfeplanungsprozess stelle ich mir jedoch etwas anders vor.

Ich gehe also zum Hausbesuch und frage Frau Albac, was sie dazu meint. Sie liest, mit dem Stift der Hand, und korrigiert den Namen des Sohnes, der sei falsch geschrieben, und bei einem Geburtsdatum gibt es einen Zahlendreher, den korrigiert sie auch. Dass da gleich auf der ersten Seite steht, wir hätten alle am 20. April zusammengesessen, hat sie gar nicht bemerkt. Wir beschließen, das auch zu korrigieren, rufen Frau Kolber an, erreichen sie aber nicht, machen einen Vermerk, dass inhaltlich alles in Ordnung ist, und die Ziele genauso beschrieben sind, wie sie Frau Albac mit Frau Ludwig besprochen hatte, und dass die Zusammenarbeit auch ohne gemeinsame Hilfekonferenz beginnen kann. Wir stecken das Dokument in einen Briefumschlag, auf dem Heimweg komme ich sowieso am Jugendamt vorbei und ich packe die Unterlagen dort in den Hausbriefkasten.

Früher war das undenkbar – ein Hilfebeginn, ohne dass die Beteiligten sich vorher mindestens ein Mal gesehen haben? Und ich komme mir bei diesem Satz richtig alt vor. Und ich frage mich auch, wie andere Jugendamtsmitarbeiter:innen das machen. Ich hatte in den letzten Monaten zwei richtig gute Hilfeplantermine, mit Gesprächen auf Augenhöhe, beide Fälle waren dem sogenannten Überprüfungsbereich zugeordnet, und in beiden Fällen wurde das Jugendamt von den Eltern wirklich als unterstützende Institution und nicht als Bedrohung erlebt. Sowas wünsche ich mir. Das Jugendamt bleibt ja schließlich zuständig, auch wenn die ambulante Hilfe beendet ist. Früher blieben die Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen auch länger im Amt, und dieselbe Person war über viele Jahre, manchmal sogar über drei Generationen hinweg, Ansprechperson für eine Familie. Heute gibt es viel Fluktuation. Gut ist das nicht, aber ich bin froh, dass ich mit Familie Albac und Frau Kolber eine kreative Lösung gefunden habe. Zwei Tage nach dem Termin mit Frau Albac erhielt ich eine E-Mail: „Liebe Frau Änderlich, ich habe den Hilfeplan angepasst und die Änderungen aufgenommen. Bitte schauen Sie noch einmal nach, ob es so stimmt“. Mit freundlichen Grüßen … und ich denke, „so einfach war das“.

Ihre Katja Änderlich