Modell ambulant betreuter Wohngemeinschaften gefährdet
Johanniter nehmen Stellung zum Entwurf des Niedersächsischen Gesetzes zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen (HeimbewSchutzG)
Die Niedersächsische Landesregierung hat am 19. Mai dieses Jahres den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Heimbewohnern vorgelegt. In der geplanten Form würde es zu gravierenden Auswirkungen bei ambulant betreuten Wohngemeinschaften kommen. Das Gesetz sieht eine Erfassung ambulant betreuter Wohngemeinschaften unter das Heimrecht vor, wenn eine rechtliche oder wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Vermieter von Wohnraum und dem betreuenden Pflegedienst besteht. Empfehlungen zwischen diesen Partnern einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft würden dieser Gesetzgebung nach schon als Verknüpfung gelten, obwohl der Mieter den Leistungsanbieter frei wählen kann. Durch die darin enthaltenen Auflagen wären solche Wohngemeinschaften nicht mehr umsetzbar. So ist zu erwarten, dass die bisher in Heimen erforderliche Fachkraftquote von 50 Prozent auch in ambulant betreuten Wohngemeinschaften vorgehalten werden muss. Dies lässt sich aufgrund der geringen Anzahl von durchschnittlich unter zehn Plätzen wirtschaftlich nicht umsetzen. Des Weiteren lassen sich die bisherigen baulichen Auflagen für Pflegeheime nur schwer in das Raumkonzept von ambulant betreuten Wohngemeinschaften integrieren. Schließlich verschlechtern sich die Leistungsansprüche der Bewohner, da Leistungen der häuslichen Krankenpflege nicht mehr abgerechnet werden können. „Eine betreute Wohngemeinschaft (WG) bietet Menschen mit Behinderungen oder altersbedingten Erkrankungen wie beispielsweise Demenz die Gelegenheit, in einem festen sozialen Gefüge zu leben und den jeweiligen Möglichkeiten entsprechend aktiv am WG-Alltag teilzuhaben. So lange wie möglich selbstbestimmt leben, zusammen die vielen Dinge im Tagesablauf bewältigen und auch die Freizeit gemeinsam gestalten: Eine Wohngemeinschaft steht für die meisten Menschen ganz oben auf der Wunschliste, wenn sie sich mit dem Gedanken an andere Wohnformen im Falle notwendig werdender Unterstützung beschäftigen müssen. Mit diesem Angebot wird die gesetzlich festgeschriebene und immer wieder politisch geäußerte Forderung ‚ambulant vor stationär’ vorbildlich umgesetzt“, erläutert Silvana Radicione, Landesvorstand der Johanniter in Niedersachsen/Bremen. „Die geplante Gesetzgebung unterstützt den Ausbau dieser gemeinschaftlichen Lebensform nicht, sie wirkt eher dagegen. Wir befürchten, dass es künftig keine ambulant betreuten Wohngemeinschaften mehr gibt, sondern die klassische Heimunterbringung weiterhin am Ende vieler Lebenswege stehen wird“, ergänzt Thorsten Müller, Fachbereichsleiter Soziale Dienste und Wohnkonzepte der Johanniter im Landesverband. Im Rahmen der Verbandsanhörung zum ersten Entwurf des Niedersächsischen Heimbewohnerschutzgesetzes haben im August 2009 die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Verband der Wohnungswirtschaft, die Stadt Hannover und die Johanniter gefordert, die Entwicklung der ambulant betreuten Wohngemeinschaft durch das neue Gesetz nicht zu behindern. Die Johanniter haben langjährige Erfahrung mit der Umsetzung von Wohnkonzepten für ältere Menschen in Niedersachsen und Bremen. So bestehen zurzeit an über 30 Standorten Kooperationen mit Unternehmen der Wohnungswirtschaft in den Bereichen Betreutes Wohnen, Service Wohnen und innovative Wohnformen, wie beispielsweise die ambulant betreute Wohngemeinschaft „Dorothea“. Bei dieser WG handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Johanniter mit der Ostland Wohnungsgenossenschaft eG in der Wohnanlage Gilde Carré in Hannover-Linden. Eine konkrete Anregung für die künftige Gesetzgebung ist es, ambulant betreute Wohngemeinschaften mit bis zu zwölf Menschen grundsätzlich nicht unter die Heimgesetzgebung zu stellen. Die Ostland Wohnungsgenossenschaft als Kooperationspartner schlägt vor, eine freiwillige Unterwerfung unter die Qualitätsanforderungen der DIN 77800 für Betreutes Wohnen anzuregen. Dies kann als Nachweis für eine qualitätsgesicherte Leistungserbringung in ambulant betreuten Wohngemeinschaften dienen, auch wenn klargestellt ist, dass es sich bei solchen Wohngemeinschaften nicht um Heime im Sinne des Niedersächsischen HeimbewSchutzG handelt sollte. Um dem Schutzbedürfnis älterer und pflegebedürftiger Menschen zu entsprechen, sollte zum einem eine Anzeigeverpflichtung gegenüber der Heimaufsichtsbehörde bei Neugründungen von ambulant betreuten Wohngemeinschaften vorgesehen werden. Zum anderen muss die Heimaufsichtsbehörde eine anlassbezogene Noteingriffkompetenz erhalten, um bei Beschwerden unverzüglich aktiv werden zu können. Bei einem Vor-Ort-Termin in der Wohngemeinschaft „Dorothea“ informierte sich auch Bundestagsmitglied Edelgard Bulmahn, Bundesministerin a.D., wie der Alltag in einer ambulant betreuten WG aussieht. „Betreute Wohngemeinschaften sind das Modell der Zukunft“, so Edelgard Bulmahn.Quelle: Pressemitteilung des Johanniter Landesverbandes Niedersachen/Bremen vom 07.08.2010
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