Förderung des sozialen Unternehmertums in der Europäischen Union

von Fachgruppe Sozialwirtschaft der DGSA
10.04.2012 | Sozialmanagement | Nachrichten

Die Fachgruppe Sozialwirtschaft der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) hat am 27.03.2012 zur Förderung des sozialen Unternehmertums in der Europäischen Union Stellung bezogen.

Die Europäische Kommission hat in der Mitteilung „Initiative für soziales Unternehmertum. Schaffung eins ‚Ökosystems’ zur Förderung der Sozialunternehmen als Schlüsselakteure der Sozialwirtschaft und der sozialen Innovation“ – KOM(2011) 682 endgültig – vom 25.10.2011 die Sozialwirtschaft weitgehend mit Sozialunternehmen identifiziert und ihnen zugerechnet
  • Unternehmen, die Sozialdienstleistungen erbringen und/oder Güter und Dienstleistungen für besonders schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen anbieten (Vermittlung von Wohnraum, Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, Betreuung von älteren oder behinderten Personen, Integration sozial schwacher Bevölkerungsgruppen, Kinderbetreuung, Zugang zu Beschäftigung und lebenslangem Lernen, Pflegemanagement usw.) und/oder
  • Unternehmen, die bei der Produktion von Waren bzw. der Erbringung von Dienstleistungen ein soziales Ziel anstreben (soziale und berufliche Eingliederung durch den Zugang zur Beschäftigung für Personen, die insbesondere aufgrund ihrer geringen Qualifikation oder aufgrund von sozialen oder beruflichen Problemen, die zu Ausgrenzung und Marginalisierung führen, benachteiligt sind), deren Tätigkeit jedoch auch nicht sozial ausgerichtete Güter und Dienstleistungen umfassen kann.
Zwar wird in der Mitteilung auf eine präzise Definition von Sozialwirtschaft verzichtet, inhaltlich sollen den Begriff aber die genannten Unternehmen als „Schlüsselakteure“ erfüllen. Dass dabei die Betonung auf „soziales Unternehmertum“ gelegt wird, ist vor dem Hintergrund der Binnenmarktakte „Gemeinsam für neues Wachstum“ der EU (KOM(2011) 206 endg.) vom April 2011 zu verstehen, die als Leitaktion zum Sozialen Unternehmertum die „Schaffung eines europäischen Rechtsrahmens zur Förderung von Solidarinvestmentfonds, der diesen Fonds die Möglichkeiten des Binnenmarkts erschließt“ vorsieht. Ein erster Beitrag zu der Förderung, die sich die Kommission angelegen sein läst, ist der Vorschlag, ein Gütesiegel über „Europäische Fonds für Soziales Unternehmertum“ einzuführen (KOM(2011) 862 endgültig, vom 7.12.2011). So begrüßenswert die Förderung von Sozialunternehmen ist, gegen eine Verengung des sozialwirtschaftlichen Horizonts auf dienstleistende Unternehmen bzw. auf soziales Unternehmertum im europäischen Binnenmarkt ist einzuwenden, dass die Unternehmen primär bedarfswirtschaftlich, nicht in einem Markt, sondern in einem sozialpolitisch gestalteten Zusammenhang agieren, in dem der Staat mit dem Einsatz öffentlicher Mittel und die Bürger mit eigenem Engagement die soziale Versorgung wesentlich bestimmen. Mit dem Leistungsangebot von Unternehmen werden in der Sozialwirtschaft größtenteils gesetzliche Aufträge „im allgemeinen Interesse“ wahrgenommen. Bei aller Freiheit auch in privater Initiative und in der möglichst flexiblen Art und Weise, mit der sich selbstständig oder genossenschaftlich und kooperativ ein sozialer Bedarf decken lässt, folgen Sozialunternehmen in der Ausführung von Versorgungsaufträgen doch den Dispositionen, die im Gemeinwesen zur Erbringung von Sozialleistungen getroffen sind. Die Kommissionsinitiative ist mit Blick auf Finanzierungsmöglichkeiten allseits begrüßt worden – vom Wirtschafts- und Sozialausschuss des Europäischen Parlaments bis zur Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Dabei hat letztere auf eine „weite Beschreibung von sozialem Unternehmertum“ Wert gelegt, während der WSA in seiner Stellungnahme vom 26.10.2011 dazu aufforderte, besser nur den Begriff „soziales Unternehmen“ zu verwenden, denn er schließe das soziale Unternehmertum ein. Sozialwirtschaft indes umgreift beider Geschäft in den Dimensionen des Versorgungsgeschehens und seiner Bewirtschaftung. Die Rolle und das Innovationspotenzial von Unternehmen in der Sozialwirtschaft werden nicht unterschätzt, wenn man diese Akteure einem Handlungsrahmen zuweist, der sie institutionell und funktional in der sozialen Versorgung und der Bearbeitung sozialer Probleme verortet. Das Geschäft einzelner Unternehmen in diesem Tätigkeitsbereich hängt ab von der ganzen Ökonomie der Aufgabenerledigung in ihm und trägt zu ihrer Bewirtschaftung bei. Die wirtschaftliche Verantwortung, welche die sowohl allgemein zugänglichen Humandienste und ihre Träger als auch die ihre Mitglieder bedienenden Selbsthilfe-, Gegenseitigkeits- und Kooperativ-Organisationen tragen, erschöpft sich nicht in ihrem Betriebserfolg als Unternehmen. Im Bezugsrahmen der Sozialwirtschaft realisieren sie gesellschaftliche Dispositionen zur individuellen und gemeinschaftlichen Wohlfahrt. Sie ist das ökonomische Ziel – in der Ressourcenverwendung insgesamt und im Detail der Leistungserbringung. Sozialunternehmen fungieren als Teilnehmer an einer „gemischten Produktion von Wohlfahrt“. Soziales Unternehmertum mag sch darin auszeichnen und mit kreativen Lösungen zum Aufgabenprogramm beizutragen. Isoliert von ihm und als ein beliebiges Geschäft im Markt übernimmt es keine Verantwortung in der Sozialwirtschaft, und so kann mit ihm in der sozialen Versorgung nicht beständig gerechnet werden. In ihr bleiben die Sozialleistungsträger und die öffentlichen und die frei-gemeinnützigen Organisationen der Wohlfahrtspflege weiterhin die „Schlüsselakteure“ der Sozialwirtschaft. Aufmerksam wird im Interesse sozialer Aufgabenerfüllung zu verfolgen sein, an welchen Stellen und wie sich soziales Unternehmertum in das sozialwirtschaftliche Geschehen einfügt und es innovativ voranzubringen vermag.

Quelle: Prof. Dr. Wolf Rainer Wendt, Fachgruppe Sozialwirtschaft der DGSA
http://www.dgsainfo.de/fachgruppen/sozialwirtschaft.html