bpa: Pflegekammer in Bayern argumentativ vor dem Aus

Placebo statt Wunderpille – Befürworter der Kammer können ihr Versprechen an die Pflegekräfte nicht halten

„Als völlig untauglichen Versuch zur Entlastung der Pflege“ bewerteten Experten am 18.10.2012 in einer Landtagsanhörung die Errichtung einer Pflegekammer in Bayern. „Was wir brauchen, sind gezielte Maßnahmen zur Behebung des dramatisch steigenden Fachkräftemangels“, sagte Joachim Görtz, Leiter der Geschäftsstelle des bpa in München. „Schon heute fehlen in Bayern tausende Pflegekräfte. Demgegenüber steigt die Zahl der Pflegebedürftigen rasant an. Den Pflegekräften helfen konkret vor allem mehr Personal und weniger Bürokratie. Die weitere Bürokratisierung durch eine Zwangsverkammerung verkehrt diese Absicht ins Gegenteil“. Deutliche Skepsis kam auch aus der Politik. Die Abgeordnete Kathrin Sonnenholzner (SPD) stellte fest, dass selbst aus den bisherigen Umfragen bei den Pflegekräften kein ausgeprägter Wille für die Errichtung einer Pflegekammer erkennbar sei. Dominik Schirmer von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bekräftigte diese Einschätzung. Die in der Gewerkschaft mit Abstand größte Gruppe organisierter Pflegekräfte habe sich überwiegend gegen eine Pflegekammer ausgesprochen. Die Befürworter einer Pflegekammer beharrten demgegenüber darauf, die Pflegekräfte zum „Schutz der Bevölkerung vor unsachgemäßer Pflege“ einer Zwangsmitgliedschaft mit Berufsaufsicht unterstellen zu müssen. „Man erkennt genau die Ziele der Kammerlobbyisten, die von den berechtigten Bedürfnissen der Pflegekräfte abweichen“, so Joachim Görtz. „Es geht nach eigenen Angaben derer, die in einer Kammer Verantwortung übernehmen wollen, darum, die bislang ehrenamtliche ausgeübte Funktionärstätigkeit in eine von den Pflegekräften finanzierte Zwangsvereinigung zu überführen. Das kann und darf kein Kriterium sein. Die Politik sollte diesen Begehrlichkeiten nicht Folge leisten.“ Auch im weiteren Verlauf der Anhörung kamen die Befürworter einer Pflegekammer sichtlich in Begründungsschwierigkeiten, sodass der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Dr. Otto Bertermann, im Nachgang festhielt, dass mit ihm eine Pflegekammer nicht zu machen sei. Abgesehen von den wenig überzeugenden Behauptungen ihrer Befürworter sprachen auch juristische Bedenken gegen die Errichtung einer Pflegekammer. Rechtsprofessor Mario Martini vom Lehrstuhl für Staatsrecht der Universität Speyer stellte in einem aktuellen Gutachten fest, dass z. B. die tarifliche Gestaltung in der Pflege Aufgabe und Ziel der Gewerkschaften sei. Diese könne nicht der Tätigkeit einer Pflegekammer zugeführt werden. „Die Zwangsorganisation einer Pflegekammer wird die Hoffnungen, die die Pflegenden in sie setzen, nicht oder nicht ausreichend erfüllen können“, so Martini. „Die als politisches Glaubensbekenntnis verbreitete Hoffnung auf die größte ideelle Aufwertung der Pflegeberufe wird sich als politische Fata Morgana erweisen.“ Die Befürworter einer Pflegekammer stützten sich in juristischer Hinsicht auf Ausführungen des Kieler Rechtsprofessors Gerhard Igl. Er machte  in der Anhörung darauf aufmerksam, sich erst dann vertiefend mit der Frage beschäftigen zu können, wenn ihm ein konkreter Gesetzentwurf vorgelegt werde. Auch wolle er das aktuelle Martini-Gutachten zur Kenntnis nehmen. Prof. Igl bestätigte bereits vor einigen Jahren die rechtliche Möglichkeit zur Errichtung einer Pflegekammer. Das nun von seinem Kollegen Martini vorgelegte Gutachten aber beleuchtet, über die reine Möglichkeit einer Pflegekammer hinaus, die Frage der Sinnhaftigkeit. Der bpa ist davon überzeugt, dass vor allem diese Fragestellung weiterhin ausführlich wie kontrovers diskutiert werden muss. In Kürze wird ein Wortprotokoll über die Anhörung im Landtag abrufbar sein. „Das Protokoll kann jeder Bürger im Landtagsamt abrufen. Die Pflegekräfte können und sollten sich dann selbst ein Bild darüber machen, wie wenig von dem, was man ihnen mit der Pflegekammer verspricht, wirklich gehalten werden kann“, so Görtz abschließend.

Quelle: Pressemitteilung des bpa - Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. vom 23.10.2012