„Wir sind die Gemeindeschwestern“ – bpa kritisiert Einsatz von VERAH

Bestehende Strukturen stärken, statt zusätzliche aufzubauen

In Thüringen sollen in diesem Jahr ca. 50 VERAHs – Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis – ihre Arbeit aufnehmen. Deren Aufgabenprofil zielt insbesondere auch auf die Reduzierung von Leistungen zur häuslichen Krankenpflege. Ziel von VERAH soll es sein, einigen ausgewählten älteren Menschen ein aufsuchendes, hausarztentlastendes Leistungsangebot zu machen. Der Hausarzt soll Leistungen für diese Patienten – vorausgesetzt sie sind chronisch krank und bedürfen einer dauerhaften ärztlichen Behandlung – an seine VERAH (Versorgungsassistentinnen) zu Lasten der AOK delegieren können. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) kritisiert das Vorgehen von AOK und Kassenärztlicher Vereinigung und betont, dass die Interessen der Häuslichen Krankenpflege nicht verletzt werden dürfen. Sinnvoller wäre aus Sicht des bpa eine engere Kooperation von Hausärzten und ambulanten Pflegediensten. Der bpa begrüßt nachdrücklich, dass die Leistungen für chronisch kranke alte Menschen verbessert werden und Hausärzte entlastet werden sollen. Aber warum ein weiteres Spezialangebot für eine kleine Patientengruppe? Dass immobile ältere Menschen in ihrer Häuslichkeit medizinisch und pflegerisch versorgt werden müssen, weil sie den beschwerlichen Weg zum Arzt nicht mehr schaffen, ist bekannt. Dass der Bevölkerungsanteil der alten Menschen zunimmt und immer mehr dieser Mitbürger auf medizinische und pflegerische Hilfe angewiesen sind, war ursächlich für den flächendeckenden Aufbau von Pflegediensten. Diese Pflegedienste mit ihren examinierten Pflegekräften haben bisher die Behandlungspflege auf Verordnung des Hausarztes wahrgenommen. Jetzt werden zusätzliche teure Doppelstrukturen mit ärztlichen Helferinnen aufgebaut. Der bpa plädiert dafür, Pflegedienste einzubeziehen, um deren fachliche Ressourcen und deren hohes soziales Engagement zu nutzen. Viele der heute in Pflegediensten Beschäftigten waren bis 1990 als Gemeindeschwestern tätig. „Ehemalige Gemeindeschwestern gründeten damals eigene Pflegedienste. Damit schaffen sie nicht nur Arbeitsplätze auch in strukturschwachen Regionen, sondern versorgen in Zusammenarbeit mit den Hausärzten an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr kranke und hilfebedürftige Menschen. Was wird aus diesen engagierten Fachkräften, die eine häusliche Versorgungsstruktur für kranke und alte Menschen aufgebaut haben, falls das Projekt VERAH Schule macht?“, fragt Margit Benkenstein. Die stellvertretende Landesvorsitzende des bpa in Thüringen betreibt im westthüringischen Gerstungen einen ambulanten Pflegedienst. „Es steht zu befürchten, dass hier Arbeitsplätze in ambulanten Pflegediensten auf dem Spiel stehen“, so Benkenstein. „Darüber hinaus wollen wir klarstellen, dass keine zusätzlichen Mittel für Doppelstrukturen ausgegeben werden müssen, da bereits die Pflegefachkraft zu den hilfebedürftigen und kranken Menschen vor Ort nach Hause kommt.“

Quelle: Pressemitteilung des bpa – Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. vom 04.04.2011