UNHCR-Grundsatzpapier zur deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik

14.12.2011 | Sozialpolitik | Nachrichten

Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) hat Deutschland aufgefordert, sein politisches Gewicht konsequent dafür einzusetzen, hohe Standards im Europäischen Asylsystem durchzusetzen. Dessen Fortentwicklung und Umsetzung in Recht und Praxis sei die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre, heißt es in einem Grundsatzpapier von UNHCR Deutschland, das heute in Berlin veröffentlicht wurde. UNHCR unterstützt die derzeit verhandelten Reformvorschläge der EU-Kommission im Bereich Asyl und Flüchtlingsschutz, bei denen es im Kern darum geht, alle im europäischen Asylsystem beteiligten Staaten auf ein vergleichbares, hohes Schutzniveauzu zu führen. "Deutschland spielt eine Schlüsselrolle bei den Verhandlungen. Sein Leitmotiv sollte dabei sein, dem Schutzgedanken der Genfer Flüchtlingskonvention zu bestmöglicher Wirksamkeit in der Europäischen Union zu verhelfen", so Michael Lindenbauer, UNHCR-Vertreter für Deutschland und Österreich. Das UNHCR-Grundsatzpapier bildet den Abschluss einer Reihe von Aktivitäten und Veranstaltungen zum  Thema "60 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention". Es bescheinigt dem nationalen deutschen Asylsystem eine "positive Entwicklung"mit Blick auf "Wahrnehmung und Anwendung"der Genfer Flüchtlingskonvention, zum Beispiel bei der Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgung. Gleichzeitig weist das Papier aber auch auf eine Reihe von Punkten hin, in denen "das deutsche Asylsystem verbesserungsfähig und -würdig"sei. So sollten aus Sicht von UNHCR die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Schutzsuchenden "großzügig"und "ohne den Aufbau bürokratischer Hürden aufgehoben werden". Zudem spricht sich UNHCR dafür aus, das überaus komplexe Asylverfahrensrecht in Deutschland aus Gründen der Transparenz und Nachvollziehbarkeit für die Betroffenen zu verschlanken. Eine kostenlose, qualifizierte Verfahrensberatung vor der Durchführung der Asyl-Anhörung könne zur Qualität und Effizienz des Verfahrens substantiell beitragen, wird in dem Papier hervorgehoben. Dringenden Handlungsbedarf sieht UNHCR bei der Durchführung des sogenannten Dublin-Verfahrens in Deutschland, in dem entschieden wird, welches Land für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist. So sei es notwendig, von der bisher geltenden Gesetzeslage abzurücken, nach dem ein einstweiliger Rechtsschutz gegen die Überstellung in ein anderes Land ausdrücklich ausgeschlossen sei. Auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergebe sich, dass ein Zugang zum einstweiligen Rechtsschutz vorhanden sein müsse. Mit Blick auf die Situation unbegleiteter Minderjähriger spricht sich UNHCR erneut dafür aus, die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit von derzeit 16 auf 18 Jahre heraufzusetzen. Hierfür spreche die Verpflichtung zur vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls. Grundsätzlich, so UNHCR, solle das Flughafenverfahren wie auch eine Zurückweisung an der Grenze nicht auf unbegleitete Minderjährige angewandt werden. Ein zentrales Anliegen von UNHCR war es in den letzten Jahren, ein wichtiges Instrument des internationalen Flüchtlingsschutzes auch in Deutschland einzuführen. Ein entsprechender Beschluss wurde Freitag letzter Woche von der Innenministerkonferenz gefasst: Zukünftig wird Deutschland Aufnahmeplätze (zunächst 900 innerhalb von drei Jahren) zur Neuansiedlung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge aus Erstzufluchtsländern und damit am globalen UNHCR-Resettlement Programm teilnehmen. Lindenbauer: "Dies ist zum Abschluß von diesem Gedenkjahr ein wichtiger, konkreter Beitrag für den internationalen Flüchtlingsschutz: Flüchtlinge erhalten individuell eine dauerhafte Perspektive und deren Erstaufnahmeländer ein Zeichen der Solidarität".

Quelle: Pressemitteilung der UNHCR-Vertretung für Deutschland und Österreich vom 13.12.2011
http://www.unhcr.de