Stationäre Reha für Kinder: Ein Erfolgsmodell steht auf der Kippe

Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin fordert klares Votum von der Politik

Die stationäre Reha für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ist aus medizinischer und psychologischer Sicht eine Erfolgs-Story. Doch der Erfolg gerät zunehmend ins Wanken, weil von Jahr zu Jahr immer mehr Rehaanträge für Kinder rigoros abgelehnt werden. Allein die Zahlen geben Anlass zu großer Besorgnis. Während im Jahr 2006 über die Deutsche Rentenversicherung noch 36.443 Maßahmen bewilligt worden sind, waren es im Jahr 2010 nur noch 31.600 gewesen. Damit werden pro Jahr fast 5.000 oder 13,3 Prozent weniger Rehaanträge bewilligt als noch vor fünf Jahren. Die Zahl der Anträge ist dagegen in diesem Zeitraum lediglich um zwei Prozent auf 78.538 (2010) gesunken. Besonders fatal ist dies deshalb, weil gerade die Deutschen Rentenversicherung als Vorreiter der Kinderreha gilt. Nun wurde aber offenbar auch hier die Kostenschraube angesetzt. Dies hat auch dazu geführt, dass viele Eltern zunehmend verunsichert sind, welche Kosten für die Reha ihrer Kinder überhaupt noch übernommen werden. So gibt es Hinweise, dass gerade belastete Familien mit ihren Kindern aus Sorge, sich mit einer Reha finanziell zu überfordern, lieber keine Anträge mehr stellen. Hier ist Aufklärung und Einmischung überfällig, ist Prof. Hans-Michael Straßburg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) überzeugt. Trotz sinkender Kinderzahlen und verbesserter ambulanter Versorgung und guter Schulungsmöglichkeiten ist der Bedarf für eine stationäre Reha zugunsten kranker Kinder weiterhin ausgesprochen hoch. Ein Beispiel ist das Asthma bronchiale: Denn diejenigen Kinder und Jugendlichen, die eine Reha brauchen, sind heute in der Regel weit schwerer betroffen und haben über das Asthma hinaus häufig noch zusätzliche Probleme (Komorbiditäten) körperlicher wie auch seelischer Art, berichtet Dr. Johannes Oepen, Vorsitzender im Fachausschuss Reha und Vorsorge der DGSPJ. Eine klassische Situation, in der überlegt wird, für Kinder und Jugendliche mit einer chronischen Krankheit eine 4-6 wöchige „Reha“ zu beantragen, ist so oder ähnlich: „Ich lebe seit 3 Jahren mit Diabetes, mein Zucker ist aber nicht gut, das Gemecker meiner Mutter geht mir auf den Geist. Ich müsste mich wohl besser an die Spritz- und Esspläne halten oder die Fachleute müssten eine passendere Therapieausrichtung finden z.B. in der Dosierung meiner Insuline: Wie könnte es mir besser gehen und wo könnte ich lernen, dass es mir dann auf Dauer auch tatsächlich besser geht? Ähnliches ließe sich aufzählen zu Adipositas (Mobbing und Inaktivität), oder zu Asthma, (Inhalationstechniken und Vereinsamung) oder zu ADHS („Zappelphilippsyndrom“) und den daraus resultierenden Spannungssituationen. All diese komplexen Zusammenhänge lassen sich häufig erst mit einer Rehamaßnahme in den über 80 Kliniken in Deutschland richtig aufarbeiten, meint Johannes Oepen. Durch wissenschaftliche Leitlinien der Fachgesellschaften und Studien konnte der Nutzen der Rehabilitation für Kinder und Jugendliche mit chronischen Krankheiten immer weiter gesteigert werden. An einzelnen Krankheitsbildern  wie Asthma bronchiale sind die Behandlungserfolge und verbesserten Teilhabemöglichkeiten mittlerweile eindeutig belegt: Weniger Fehlzeiten in der Schule, weniger Krankenhausaufenthalte, weniger Komplikationen. Zudem kann eine Reha auch dazu beitragen, dass chronisch kranke Kinder und Jugendliche ihre Ausbildung nicht so häufig krankheitsbedingt abbrechen müssen. Trotz dieser Erfolge und trotz aller Bekenntnisse von Fachleuten, Kassen und Politik ist die Kinder-Reha heute dennoch in eine ungewollte Schieflage geraten. Dies, so fordert DGSPJ-Präsident Straßburg – soll 2011 nun anders werden. Dazu müssten nun aber alle Beteiligten (Ärzte, Kliniken, Kassen und Politik) zusammenwirken! Bei der zuständigen Ministerin scheint dieser Appell bereits angekommen zu sein. Familienministerin Ursula von der Leyen hat jedenfalls vor kurzem Vertreter der Fachgesellschaften, der Ärzte und der Verbände (wie Diakonie, Caritas und Arbeitsgemeinschaft Kinderrehabilitation) zusammengeholt, um mit hochrangigen Vertretern aus den Ministerien und den Kostenträgern den Abwärtstrend bei der Kinder-Rehabilitation zu stoppen. Mehr als Appelle sind das bislang aber noch nicht. Deshalb fordern die Sozialpädiater die Politik nun auf, sich eindeutig zum Nutzen der Kinderrehabilitation zu bekennen. Konkret bedeutet dies, dass auch in Zukunft Rentenversicherungen, Krankenkassen oder Beihilfeträger wieder mehr Rehamassnahmen bewilligen und vollständig – auch für eine aus ärztlicher Sicht notwendige Begleitperson – erstatten müssten. Davon würden auch die Leistungsträger profitieren. Denn eine frühzeitige und qualifizierte Rehabehandlung entlastet die Sozialversicherungsgemeinschaft erheblich, da eine Reha im Kindesalter Folgekosten im Erwachsenenalter nachhaltig senken kann.

Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin vom Mai 2011
http://www.dgspj.de