Deutschland braucht bis 2025 415.000 „Sozial-Profis“

Dachverband der Jugendhilfe schlägt Alarm: Fachkräftemangel droht

Deutschland steht vor einer enormen Herausforderung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe: Kitas müssen in den kommenden Jahren in großem Umfang Erzieherinnen einstellen. Der Grund für den enormen Personalbedarf: Kindertagesstätten bieten immer mehr Ganztagsbetreuung. Zudem ist der Ausbau von Plätzen für Unter-3-Jährige in vollem Gang. Allein dafür müssen bis 2025 knapp 140.000 Stellen neu geschaffen werden. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ am 03.06.2011 in Berlin vorgelegt hat. Demnach hat die Kinder- und Jugendhilfe auch in anderen Bereichen großen Personalbedarf: Vom Sozialarbeiter, der im Jugendzentrum oder als Streetworker arbeitet, über den Heimerzieher bis zur Sozialpädagogin im Jugendamt werden bis 2025 bundesweit noch einmal gut 70.000 neue Fachkräfte als „Sozial-Profis“ benötigt. Verschärft wird die Personalsituation durch ein enormes Defizit bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen in Schulen: „Die Sozialarbeit an Schulen ist in Deutschland vollkommen unterentwickelt“, sagt Norbert Struck. Der AGJ-Vorsitzende forderte einen „festen Platz für Sozialarbeiter an Schulen“. Sie müssten künftig zehn Prozent des Schulpersonals ausmachen. „Davon sind wir meilenweit entfernt. Was wir heute fast überall erleben, ist eine reine Unterrichtsschule. Die kann die Probleme von Kindern und Jugendlichen aber nicht mehr bewältigen“, so Struck. Dringend notwendig sei deshalb sozialpädagogische Kompetenz in der Schule. Der AGJ-Vorsitzende fordert „Ingenieure des Sozialen“ für alle allgemeinbildenden Schulen. Insgesamt müssten bis 2025 rund 75.000 Sozialarbeiter neu eingestellt werden. Diese sollen sich dann um die Probleme der Kinder- und Jugendlichen kümmern – von der Jugendgewalt über das Schulschwänzen bis hin zur Sucht von Drogen, Alkohol oder Internet. „Viele Probleme, mit denen Schülerinnen und Schüler zu kämpfen haben, produziert die Schule in ihrer heutigen Form selbst: Ausgrenzung, Kränkung, Gewalt ... Hier sind Sozialpädagogen dringend gefragt – auch, um die Schule ein Stück weit zu verändern“, so der Vorsitzende vom Dachverband der Kinder- und Jugendhilfe. Die Untersuchung, die die AGJ vorgelegt hat, geht von insgesamt 415.000 Fachkräften in der Kinder- und Jugendhilfe aus, die bis 2025 neu eingestellt werden müssen, um den steigenden Personalbedarf zu decken und ausscheidende Sozialarbeiter, Erzieherinnen und Sozialpädagogen zu ersetzen. „Hier stehen wir in enormer Konkurrenz mit anderen Branchen. Die Jobs in der Kinder- und Jugendhilfe müssen deshalb deutlich an Attraktivität gewinnen. Im Klartext: Die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen in der Kinder- und Jugendhilfe müssen besser werden“, sagt die Fachkräfte-Expertin der AGJ, Prof. Dr. Karin Böllert. Zudem müsse sich am Image der Berufe etwas ändern: „Wer sich um Kinder und Jugendliche kümmert, stellt die Weichen für die Zukunft. Und dafür hat jede Kinderpflegerin und jeder Sozialarbeiter Anerkennung verdient“, so Böllert. Nur dann könne es gelingen, junge Menschen für diese Berufe zu gewinnen. Hier müssten enorme Anstrengungen unternommen werden – auch, um den Anteil von Männern und Migranten beim Nachwuchs in der Kinder- und Jugendhilfe zu steigern, sagt Karin Böllert von der Universität Münster. Die Kinder- und Jugendhilfe müsse als große Zukunftsbranche entdeckt werden. „Wir sprechen hier immerhin von einer Branche mit derzeit nahezu 700.000 Arbeitskräften und einem Umsatz von mehr als 30 Milliarden Euro pro Jahr“, so Böllert. Der drohende Fachkräftemangel wird nach Angaben der AGJ eines der zentralen Themen auf dem 14. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag 2011 (DJHT) in Stuttgart sein. Auf dem „größten Jugendhilfe-Gipfel Europas“ werden ab Dienstag rund 320 Aussteller aus ganz Deutschland – von Jugendämtern über das SOS-Kinderdorf bis zu den Jugendverbänden – drei Tage lang Kompetenz und Konzepte rund um die Arbeit für Kinder und Jugendliche präsentieren. Sie machen die Fläche von mehr als drei Fußballfeldern zur Know-how-Börse für die Belange von Kindern und Jugendlichen. Auch Bundespräsident Christian Wulff hat seinen Besuch angekündigt. Er wird zum Abschluss des DJHT am kommenden Donnerstag mit jungen Menschen in einen „Demokratie-Dialog“ treten und sich dabei den Fragen und Problemen der Jugend stellen.

Quelle: Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe AGJ vom 03.06.2011
http://www.agj.de