Neues ärztliches Versorgungsmodell von Heimbewohnern notwendig

19.07.2010 | Altenhilfe | Nachrichten

Diakonie Württemberg fordert grundlegende Änderungen bei der medizinischen Versorgung, um eine gute Behandlung im geriatrischen Bereich zu gewährleisten.

Stuttgart - „Wir brauchen praktikable und tragfähige Modelle der medizinischen Versorgung von Pflegeheimbewohnern.“, forderte Kirchenrätin Heike Baehrens, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, beim Pressegespräch. „Es mangelt nicht an Ärzten im Land, sondern an Ärzten, die bereit sind in Pflegeheime zu kommen.“ Wenn alte Menschen aus einem anderen Ort zuziehen, sei es schwierig einen neuen Hausarzt zu finden. Besonders weil ein Hausarzt pro Quartal nur 36 Euro für einen Kassenpatienten erhält, egal wie viele Besuche er macht. Geplante Visiten seien oftmals nicht möglich, berichtete Gabriela Scholz, Leiterin des Karl-Wacker-Pflegeheims in Stuttgart-Botnang. „Durch den Praxisalltag sind Ärzte bei ihren Besuchen im Heim unter Zeitdruck und die Visiten werden zu knapp. Wenn zudem das Pflegepersonal nicht einbezogen wird, leidet die Qualität und somit der Patient.“ Noch schwieriger wird es bei der Versorgung der Pflegeheimbewohner mit Fachärzten. „Zahnärzte, Gerontologen, Urologen, Neurologen und Augenärzte kommen viel zu selten – wenn überhaupt – in ein Heim“, so Baehrens weiter. In das Pflegezentrum Karl-Wacker-Heim sei beispielsweise nur ein einziger Urologe bereit zu kommen, sagte Scholz. „Und ein Facharztbesuch bedeutet für uns doppelten Zeiteinsatz. Der Transport muss geregelt werden und eine Pflegekraft muss aus dem normalen Pflegebetrieb heraus mit dem Bewohner zur Sprechstunde gehen.“ Waltraud Claar kennt das Problem der schnellen Visite und des Aufwands eines Facharztbesuchs. Ihre Schwester ist seit einem Schlaganfall linksseitig gelähmt und lebt im Karl-Wacker-Heim. „Seitdem hat meine Schwester Sprachstörungen und kann langsamer einem Gespräch folgen. Daher löst eine schnelle Visite bei ihr Verunsicherung aus und verwirrt sie sehr.“ Nur weil sie selbst ihre Schwester zum Facharzt und in die Klinikambulanz begleitet, sei das für die Patientin möglich und zumutbar. Ein weiteres Problem bei der ärztlichen Versorgung ist die Kommunikation zwischen Arzt und Pflegekräften. „Ärzte kommen oft zu den Essenszeiten der alten Menschen oder am Abend in das Pflegeheim. Das ist sowohl für das Personal als auch für die Bewohner ungünstig“, erklärte Scholz. Auch von Seite der Mediziner ist die mangelnde Absprache laut Dr. Clemens Becker, Chefarzt der Klinik für Geriatrische Rehabilitation am Robert Bosch Krankenhaus Stuttgart, ein Problem: „Das Gespräch mit den Pflegekräften ist nötig, um eine gute medizinische Versorgung der Bewohner zu gewährleisten, etwa eine angemessene Schmerztherapie zu machen und auch unsinnige und teure Krankenhaustransporte zu vermeiden.“ Desweiteren gibt es keine Grundausbildung der Ärzte im geriatrischen Bereich. „Vor allem die nichtmedikamentösen Therapieoptionen sind Ärzten sind oft nicht vertraut“, sagte Becker. Beispiele hierfür seien Inkontinenz, Schmerztherapie oder Prävention von Stürzen. Als mögliche Lösung sehen die Gesprächspartner ein Modell wie es in Berlin eingeführt worden ist: Eine Ärztegruppe betreut ein Heim und übernimmt die Grundversorgung, Teamgespräche mit Pflegemitarbeitern und mehr Geld für die Quartalsbetreuung sollen die Qualität der medizinischen Versorgung in Pflegeheimen verbessern.

Quelle: Pressemitteilung des Diakonischen Werkes Württemberg e.V. vom 07.07.2010
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