Millionenbelastung für NGOs durch neue USt-Regelung

07.07.2010 | Sozialmanagement | Nachrichten

Deutscher Fundraising Verband fordert Ausnahmeregelung für gemeinnützige Organisationen

Die gesetzliche Neuregelung der Umsatzsteuer auf Produkte der Deutschen Post wird ab 01.07.2010 für die Hilfsorganisationen und gemeinnützigen Einrichtungen in Deutschland eine Millionenbelastung mit sich bringen. Vor den dramatischen Konsequenzen warnt der Deutsche Fundraising Verband/Berlin. „Wir fordern eine gesonderte Regelung für gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen in Deutschland“, so Matthias Buntrock, Vorsitzender des Deutschen Fundraising Verbandes. Denn die jetzt entstehenden Mehrkosten würden sich auf die konkrete Arbeit in den Inlands- und Auslandsprojekten vor Ort massiv auswirken und große Einschränkungen für die Hilfsarbeit bedeuten. Eine Umfrage unter den Mitgliedern des Deutschen Fundraising Verbandes ergibt, dass allein für 2010 eine Mehrbelastung von jeweils mehreren hunderttausend Euro auf größere Organisationen und Einrichtungen zukommt. „Hochgerechnet ergäbe sich daraus eine Belastung von mehreren Millionen Euro für den gemeinnützigen Bereich allein für 2010“, erläutert Dr. Thomas Röhr, Pressesprecher des Verbandes. Für 2011 und die Folgejahre falle die Belastung noch höher aus. „Diese Kosten können die meisten Organisationen und Einrichtungen nur zum Teil kompensieren“, so Thomas Röhr weiter. Viele Hilfsorganisationen versenden mit den nun Umsatzsteuerpflichtigen Postprodukten „Postvertriebsstück/Pressepost“ und „Info-Post“ Informationen an ihre Spender und (Förder-) Mitglieder (z. B. Mitglieder-Magazine) und bitten häufig auch um eine Spende. Die Einnahmen aus solchen Aktionen bilden das Rückgrat der Informationsarbeit und der Spendenwerbung für die Projekte der Gemeinnützigen. In Zukunft würden diese Medien der gestiegenen Kosten wegen sparsamer eingesetzt. Damit wird die Informations- und Aufklärungsarbeit vieler Organisationen massiv behindert – und, noch schlimmer: Es werden effektiv weniger Spenden in Hilfsprojekte fließen! Denn eine brauchbare Alternative zum Informations- und Spendenbrief ist nicht in Sicht. Es ist also fest mit massiven Einschränkungen in der Arbeit der Projekte vor Ort zu rechnen. Denn nur gut informierte Spender seien bereit, sich zu engagieren, so Thomas Röhr. Können die Hilfsorganisationen dem berechtigten Informationsbedarf nicht mehr nachkommen, blieben verständlicherweise Spenden aus. So geht der erhebliche Einnahmenverlust durch höhere Portokosten schließlich auch noch mit einem Vertrauensverlust bei vielen Spendern und Förderern einher. Vermehrt – und völlig zu Recht – wird sich die Spenderin und der Spender fragen, wie viel seiner Spende tatsächlich noch in einem Hilfsprojekt ankommt, wenn jetzt auch noch der Staat zugreift! „Daher fordern wir eine gesonderte Regelung für die betroffenen Organisationen und Einrichtungen in Deutschland!“, bekräftigt Vorsitzender Matthias Buntrock. Sie bestehe vor allem darin, dass diese Hilfsorganisationen von der neuen Umsatzsteuerregelung ausgenommen werden. „Es ist eigentlich unvorstellbar, dass gerade durch den Staat der Dritte Sektor in Deutschland stark zur Kasse gebeten wird, gleichzeitig aber immer mehr sozialstaatliche Aufgaben übernehmen soll“, so Buntrock. Die Staatsfinanzen würden durch eine solche Regelung nicht zusätzlich belastet werden. Denn bisher hat der Finanzminister noch keine Umsatzsteuer auf Porto der Deutschen Post AG erhalten. Es geht für den Staat nicht um wirklich relevante Einnahmen – für viele Gemeinnützige aber um die Existenz. Aus diesem Grund wird sich der Deutsche Fundraising Verband im Dialog auf allen politischen Ebenen in den kommenden Monaten für eine sinnvolle Lösung einsetzen. Weitere Informationen finden Sie auch unter www.stopp-porto-steuer.de.

Hintergrund

Der Deutsche Bundestag bestätigte am 05. März 2010 einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften. Darunter fällt insbesondere die Gleichbehandlung alle Wettbewerber auf dem Postmarkt. Mit Wirkung zum 01.07.2010 entfällt deshalb künftig §4 Nr. 11b UstG zur Umsatzsteuerbefreiung für das gesamte Postwesen. Umsatzsteuerbefreit sind zukünftig nur Post-Universaldienstleistungen, die unmittelbar zur Grundversorgung der Bevölkerung dienen. Ab sofort USt-pflichtig:
  • Adressierte Bücher, Kataloge, Zeitungen und Zeitschriften über 2 kg
  • Paktsendungen über 10 kg
  • Expresszustellungen
  • Nachnahmesendungen
  • Individuell vereinbarte Leistungen
  • Leistungen zu Sonderkonditionen
Dazu zählen für den Dritten Sektor wichtige Produkte wie Infopost, Vorsortierungen, Rücksendungen, PremiumAdress, Pressesendung, Postvertriebsstück und nationale Expressprodukte (alle Deutsche Post AG).
 
Weiterhin USt-frei:
  • Beförderung von Briefsendungen unter 2 kg
  • Beförderung von adressierten Paketen unter 10 kg
  • Adressierte Bücher, Kataloge, Zeitungen und Zeitschriften unter 2 kg
  • Einschreib- und Wertsendungen
Die steuerliche Neuregelung belastet vor allen Dingen nicht vorsteuerabzugsberechtigte Versender – insbesondere auch gemeinnützige Organisationen – mit einer Preissteigerung von 19 Prozent auf das Porto. Da die Portokosten zum Beispiel beim normalen Werbebrief – Infopost Standard, Gewicht unter 20 g – bis zu zwei Dritteln der Gesamtkosten ausmachen, wird dieser Brief um bis zu 13 Prozent teurer. Für vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen hat die Umsatzsteuer-Änderung keine Auswirkungen, da es sich um einen durchlaufenden Posten handelt.

Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Fundraising Verbandes vom 29.06.2010
http://www.fundraisingverband.de